
Hobbygärtner beim Torfausstieg richtig begleiten – Teil 1
Damit der Torfausstieg bei den Hobbyerden gelingt, müssen die Kundinnen und Kunden nicht nur vom Kauf der Ersatzprodukte überzeugt, sondern auch über die Besonderheiten torfreduzierter/-freier Blumenerden und ihrer Anwendung aufgeklärt werden. Wie es gelingen kann, Hobbygärtner zielgerichtet und bedürfnisorientiert anzusprechen, hat das vom BMEL geförderte HOT-Projekt erarbeitet.
von Holger Braun, Carsten Herbes, Benedikt Rilling, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen erschienen am 29.04.2024Der Hobby-Gartenbau steht mit dem Torfausstieg vor einem großen Umbruch. Torf, ein wesentlicher Bestandteil vieler Blumenerden, ist aufgrund seiner klimaschädlichen Wirkung zurecht in die Kritik geraten und soll daher in Blumenerden zeitnah ersetzt werden. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Modell- und Demonstrationsvorhaben „Hobby-Gartenbau mit torfreduzierten und torffreien Substraten auf Basis nachwachsender Rohstoffe“ (HOT) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Übergang zu torffreien Alternativen im Hobby-Gartenbau zu erforschen und zu begleiten. Im Mittelpunkt stehen insbesondere die Aufklärung und Beratung von Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtnern zur Torfproblematik und zum erfolgreichen Umstieg auf torffreie Blumenerden.
Damit Kommunikation auch Veränderung bewirkt, muss sie gut vorbereitet und zielgruppengerecht umgesetzt werden. Hierfür führte das Projektteam verschiedene wissenschaftliche Studien durch. Zum einen wurde die grundsätzliche Motivation der Gärtnerinnen und Gärtner für ihr Hobby in den Blick genommen. Zum anderen wurden grundsätzliche Einstellungen zu Blumenerden sowie das Einkaufs- und Anwendungsverhalten untersucht. Darüber hinaus wurden im Projekt bereits die praktische Anwendung von Blumenerden durch Hobby-Gärtnerinnen und Gärtner sowie Versuchspflanzungen durchgeführt und analysiert.
Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem HOT-Projekt wurden interaktiv aufbereitet und in Handlungsempfehlungen für den Handel und die Hersteller von torffreien Blumenerden überführt: projekt-finito.de
Von den Ergebnissen profitieren nicht nur die interessierten Hobby-Gärtner sondern auch die Hersteller von Erden und der Handel. Die Ergebnisse schaffen ein besseres Verständnis für die Einstellungen und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden und helfen, diese zielgerichtet und bedürfnisorientiert anzusprechen.
Was motiviert Menschen zum Gärtnern?
Wichtig für eine zielgruppengerechte Ansprache ist zunächst, zu verstehen, warum jemand Gärtnern überhaupt als Hobby betreibt. Die meisten Hobby-Gärtner möchten, so die Ergebnisse der HOT-Forschung, mit ihrer gärtnerischen Aktivität bestimmte Erfolge erzielen. Das kann beispielsweise eine reiche Ernte oder die Gestaltung einer schönen Atmosphäre mit Blumen sein. Aber auch das Erleben der eigenen Schaffenskraft, beispielsweise durch das erfolgreiche Ziehen von Setzlingen aus Saatgut, motiviert die Menschen zum Gärtnern. Im Zentrum der Motivation stehen mehrheitlich diese pflanzenbezogenen Aspekte.

Es gibt allerdings auch Gruppen von Gärtnern, die mit ihrem Hobby einen Beitrag für den Umweltschutz leisten möchten oder ihren Antrieb für das Gärtnern eher in den begleitenden Aktivitäten, wie dem Musikhören oder Grillen sehen. Der Kontakt und der Austausch mit anderen spielen dagegen nahezu keine Rolle als Motivation für das Gärtnern. Häufig ziehen Gärtner ihre Motivation aus verschiedenen Bereichen, wobei die pflanzenbezogenen Motive in der Regel an erster Stelle stehen.
Welche Rolle spielen Blumenerden für Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtner?
Wichtig für eine Ansprache, die tatsächlich eine Veränderung im Verhalten bewirkt, ist es, die Relevanz des Themas für die Verbraucher zu erfassen. Für die Hobby-Gärtner sind Blumenerden oftmals nur Mittel zum Zweck: Sie haben ein gewisses Grundinteresse an Erden, das Gärtnern steht aber deutlich im Mittelpunkt. Beispielsweise informieren sich Gärtner gezielt zu Pflanzenpflege.
Blumenerden sind dagegen in der Regel zweitrangig. Dementsprechend selten ist deshalb umfangreiches Wissen um beispielsweise Düngung oder Gießverhalten an die Notwendigkeiten der unterschiedlichen Erden anzupassen. Diese geringe Relevanz von Blumenerden sind eine Herausforderung für eine erfolgreiche Informations- und Kommunikationsstrategie, die bei der Ansprache berücksichtigt werden sollte.
Wie lassen sich typische Käufer von Blumenerden charakterisieren?
Wie so häufig gibt es nicht „den einen“ Käufer oder „die eine“ Käuferin. Dennoch lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen: Blumenerden werden in der Regel für den Einsatz im Wohnumfeld, also dem Balkon oder Garten beschafft und werden hier oftmals für Topf- oder Kübelpflanzungen genutzt. Eingekauft werden Blumenerden in der Regel ein bis zwei Mal im Jahr, dies geschieht mehrheitlich in Baumärkten und im Gartenfachhandel. So unterschiedlich die Motivation der Menschen für das Gärtnern ist, so unterschiedlich sind auch die Einstellungen und Motive der Gärtnerinnen und Gärtner zum Kauf und der Anwendung von Blumenerden. In einer Befragung im Projekt HOT wurden folgende Gruppen identifiziert:
- Es gibt Verbraucher, die bereits über die Torfproblematik Bescheid wissen, hieraus Konsequenzen für ihr Kaufverhalten ableiten und auf torfhaltige Blumenerde verzichten. Sie verfügen bereits über Erfahrungen beim torffreien Gärtnern und kommen mit der ggf. anspruchsvolleren Anwendung weitestgehend zurecht. Grundsätzlich haben Blumenerden für sie eine hohe Bedeutung für ein erfolgreiches Pflanzenwachstum.
- Eine andere Gruppe von Gärtnern misst dagegen der Klimawirkung des Torfabbaus keine Bedeutung bei der Wahl der Blumenerden bei. Für sie steht die Erde als Medium für das Pflanzenwachstum im Fokus. Sie zeichnen sich insbesondere durch verbreitete Falschinformation und Unwissenheit über Torf und seine Klimawirkung aus.
- Eine dritte Gruppe von Gärtnern ist grundsätzlich gleichgültig bei der Auswahl von Blumenerden. Diese haben für sie keine besondere Bedeutung und sind weitgehend uninteressant, auch wenn diese Verbraucherinnen und Verbraucher grundsätzlich für die Torfproblematik sensibilisiert sind. Bei der Anwendung von torffreien Blumenerden stoßen diese Gärtnerinnen und Gärtner häufiger auf Herausforderungen und Probleme.
Interessanterweise unterscheiden sich die verschiedenen Gruppen von Verbrauchern nicht hinsichtlich demografischer Merkmale wie Geschlecht oder Einkommen.

Was ist bei der Kaufentscheidung wichtig?
Neben der Frage „wer“ in den Gartenmarkt geht, um Blumenerden zu kaufen, ist für eine erfolgreiche Ansprache auch wichtig zu verstehen, „wie“ die Kundinnen und Kunden dabei vorgehen. Grundsätzlich sind den Verbraucherinnen und Verbrauchern die gärtnerischen Eigenschaften, wie etwa die Passung der Erde zu bestimmten Pflanzen, wichtig. Die Torffreiheit ist ebenfalls wichtig für die Kaufentscheidung, auch wenn Nachhaltigkeit an sich kein alleiniges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Blumenerde darstellt. Der Preis ist für die Kaufentscheidung dagegen von zentraler Wichtigkeit.
Der Preis ist ein wichtiges Kriterium beim Kauf.
Die persönliche Relevanz einzelner Produktmerkmale im Kaufprozess ist das eine, die Wahrnehmung dieser Kriterien am Kaufort das andere. Zur Untersuchung dieses Zusammenspiels führte das Projektteam eine Eye-Tracking-Studie mit insgesamt 309 Personen durch. Die Daten wurden deutschlandweit auf Gartenschauen im Sommer 2023 erhoben. Mithilfe von Eye-Tracking können das Sichtfeld, Details des Blickverlaufs sowie die gezielte Fokussierung bestimmter Bereiche der Verpackung erfasst und ausgewertet werden.
Im Versuchsaufbau wurden die Teilnehmenden in einer simulierten Kaufsituation gebeten, sich für eine von fünf Blumenerden zu entscheiden und im Nachgang hierzu befragt. Die so generierten Daten können mittels einer sogenannten Heat-Map visualisiert werden: Sie zeigt, wohin die Blicke der Versuchsteilnehmenden wanderten und welche Bereiche die meiste Aufmerksamkeit erhielten. Bereiche, die verhältnismäßig lange betrachtet wurden, erhalten eine Farbe: Von einem hellen Grün für eine Betrachtung mittlerer Länge über Gelb bis hin zur rötlichen Färbung als Hinweis für eine besonders intensive Betrachtung.

Auffallend ist, dass Informationen über die Blumenerde an sich und ihre Eigenschaften, wie etwa die Eignung für eine bestimmte Pflanzensorte, intensiver betrachtet wurden als die reine Gestaltung der Verpackung. Entsprechend der Wichtigkeit des Preises als Entscheidungskriterium, wurden auch die Preisschilder relativ lange betrachtet. Dabei werden die absoluten Preisangaben deutlich häufiger und intensiver wahrgenommen als die relativen Angaben, also der Literpreis.
Hinweise auf den Verpackungen sind Verbrauchern laut eigener Aussage wichtig, sie wurden im Versuch aber nicht genutzt.
Das in den Befragungen im Projekt von Interviewpersonen geäußerte Bedürfnis nach Anwendungshinweisen schlägt sich überraschenderweise nicht in Verhalten nieder: Ein auf einem Substrat-Sack angebrachter QR-Code, der konkrete Tipps zur Anwendung verspricht, wurde zwar betrachtet, allerdings von keinem der Teilnehmenden gescannt. Ähnlich verhält es sich bei den Angaben auf den Verpackungsrückseiten. Diese sind den Teilnehmenden zwar in der eigenen Wahrnehmung relativ wichtig, so zumindest die Auskünfte in den Interviews, aber nur rund 20% drehten im Versuch eines oder mehrere Produkte um, um die Informationen auf der Rückseite überhaupt sichtbar zu machen.
Auffallend ist, dass die Teilnehmenden im Versuchsaufbau häufig die Betrachtung des Produktsortiments in gewohnter Leserichtung begannen, also vom ersten Produkt auf der linken Seite zum fünften Produkt auf der rechten Seite. Das Vorgehen war häufig ähnlich: Die Teilnehmenden verschaffen sich zunächst einen Überblick über das gesamte Angebot oder Teile davon. Anschließend werden einzelne Produkte im Detail betrachtet.
Auf der Ebene der Produktverpackungen nahmen die Teilnehmenden großflächige Informationen deutlich schneller und häufiger wahr als einzelne kleinere Produktinformationen, wie etwa das Verpackungsvolumen. Dieses Experiment unterstreicht die Bedeutung, die den Herstellern von Blumenerden zukommt: Neben dem Verpackungsinhalt ist die Verpackung selbst wesentlich für die Entscheidungsfindung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Schließlich können sie im Markt das Produkt lediglich anhand der Verpackung beurteilen, da sie keinen Zugang zum Inhalt haben.
Was heißt das nun für den Vertrieb von Blumenerden?
Die Erkenntnisse aus den verschiedenen Untersuchungen im Projekt bieten wertvolle Hinweise für den Vertrieb von Blumenerden:
Grundsätzlich sind Blumenerden kein besonders relevantes Thema für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie informieren sich selten aktiv und sehen in ihnen im besten Falle ein wichtiges Medium für das Wachstum ihrer Pflanzen. Im schlechtesten Falle sind Blumenerden lediglich ein Material, um Pflanztöpfe zu füllen. Die Pflanzen und ihre Pflege stehen im Mittelpunkt.
Daher sollten Marketingmaßnahmen zu Blumenerden möglichst eng mit dem erfolgreichen Wachstum der Pflanzen verknüpft werden. Ziel sollte sein, die Gärtnerinnen und Gärtner mit dem anzusprechen, was sie motiviert und so eine Verbindung zu Blumenerden herzustellen. Da Erden grundsätzlich kein Gesprächsthema zwischen den Gärtnerinnen und Gärtnern sind, ist auch nicht mit Multiplikatoreneffekten, also dem Weitertragen von Informationen an Dritte, zu rechnen. Da sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nur selten aktiv zu Blumenerden informieren und das Thema insgesamt keinen besonderen Stellenwert hat, bieten sich besonders niederschwellige Informationskanäle an, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu erreichen: Hier ist insbesondere die Platzierung von Informationen am Verkaufsort zentral. Dies hat zudem den Vorteil, dass der Zeitraum zwischen Information und Kaufentscheidung besonders kurz ist.
Die Kunden müssen aufgrund ihrer unterschiedlichen Motivationen, Erwartungen und Erfahrungen unterschiedlich angesprochen werden.
Die Beratung durch Fachpersonal am Verkaufsort spielt besonders bei der Entscheidung für torffreie Blumenerden eine wichtige Rolle. Entscheidend ist es, die verschiedenen Typen von Verbrauchern aufgrund ihrer unterschiedlichen Motivationen, Erwartungen und Erfahrungen unterschiedlich anzusprechen:
- Gärtner, die bereits über Erfahrungen mit torffreien Blumenerden verfügen, benötigen tendenziell weniger Beratung und Information, da sie bereits für die Torfproblematik sensibilisiert sind.
- Verbraucher, die besonders den Aspekt des Pflanzenwachstums bei Blumenerden im Fokus haben, können darüber hinaus auch für die Klimarelevanz von Torf informiert werden. Hier ist es empfehlenswert, das gute Gelingen des torffreien Gärtnerns zu betonen und entsprechende Veränderungen in der Pflege proaktiv zu thematisieren. Das Anbieten von unterstützenden Lösungen, wie der passende Dünger oder Wasserspeicherkästen ist hier besonders zu empfehlen.
- Die dritte Gruppe von Verbraucherinnen und Verbrauchern misst Blumenerden grundsätzlich keine besondere Bedeutung bei und ist bei deren Auswahl weitestgehend gleichgültig. Diese Personen sind besonders auf Beratung angewiesen und können zum Sortiment informiert und über Unterschiede zwischen verschiedenen Produkten aufgeklärt werden. In diesem Zuge kann die Unwissenheit zur Klimawirksamkeit von Torf abgebaut und über mögliche Herausforderungen des torffreien Gärtnerns aufgeklärt werden. Auch hier bietet es sich an, entsprechende Lösungen für die Herausforderungen zu empfehlen, die das torffreie Gärtnern mit sich bringen kann. Zu diesem Aspekt informiert das Projektteam in einem weiteren Artikel in der nächsten Ausgabe.
Darüber hinaus zeigt das Eye-Tracking-Experiment, dass die Platzierung von Produkten im gesamten Sortiment Einfluss auf die Wahrnehmung haben kann. Diese Effekte können bei der Positionierung von torffreien Blumenerden berücksichtigt werden. Bei der Gestaltung der Verpackung ist die Vorderseite entscheidend. Hier sollten die für die Verbraucherinnen und Verbraucher wichtigsten Informationen, wie etwa der Anwendungsbereich gut aufbereitet und schnell ersichtlich dargestellt werden.
Auf der allgemeineren Ebene gilt es, über gut vorbereitete und zielgerichtete Kommunikations- und Informationsmaßnahmen die Blumenerde aus der Nische zu holen und das Interesse für diese Produktkategorie zu wecken. Alle Informationen zur Beratung und zum Verkauf von torffreien Blumenerden hat das Projektteam als Online-Schulung aufbereitet (Informationen in der Infobox).
Im zweiten Teil gibt’s weitere Ergebnisse aus dem HOT-Projekt: Dort wird auf die pflanzenbaulichen Ergebnisse, die aus Schaupflanzungen und sogenannten Reallaboren gewonnen wurden, eingegangen und diese in konkrete Handlungsempfehlungen fürs torffreie Gärtnern überführt.
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