
Diese Branche tickt anders!
Ob Züchter, Jungpflanzenbetrieb, Produktionsgärtnerei, Großhandel, Floristikgeschäft oder Gartencenter: Inhaberstrukturen sind in der grünen Branche praktisch überall Standard. Das ist einzigartig und schafft eine Unternehmenskultur, die in anderen Branchen längst Geschichte ist. Daraus sollten wir Positives ziehen, ist Rupert Fey überzeugt.
von Rupert Fey, Bargfeld-Stegen erschienen am 26.05.2025Ob Züchter, Jungpflanzenbetrieb, Produktionsgärtnerei, Großhandel, Floristikgeschäft oder Gartencenter: Inhaberstrukturen sind in unserer Branche praktisch überall Standard. Das ist einzigartig. Selbst in der Zulieferindustrie treffen wir auf Namen, die nicht nur auf dem Firmenbriefkopf stehen, sondern auch im WhatsApp-Verteiler für den Wochenenddienst – das ist Nähe, das ist Verantwortung. Und es schafft eine Unternehmenskultur, die in anderen Branchen längst Geschichte ist. Und wir sollten daraus Positives ziehen.
Standardisierung ist bei uns nur begrenzt möglich – zum Glück! Rupert Fey
Warum ist das überhaupt so? Wo doch sonst im Einzelhandel oder in der Produktion Filialisten und Investoren längst die Überhand haben. Ein Teil der Antwort liegt in der Natur unserer Produkte: Blumen und Pflanzen sind emotional. Sie brauchen echte Menschen, die sich kümmern. Die das Wetter mitdenken. Die ein Gespür für Sortimente haben, bevor der Kunde selbst weiß, was er will. Standardisierung ist hier nur begrenzt möglich – zum Glück! Saisonzeiten sind oft im wahrsten Sinne unberechenbar, Züchtungserfolge eine Frage von Generationen und der Erfolg oft genug ein Marathon ist.
Der andere Teil der Antwort ist härter: Weil viele Investoren einen Bogen um unsere Branche machen. Die Margen sind zu knapp, das Risiko zu wetterabhängig, die Prozesse zu komplex. Wer keinen grünen Daumen hat, sondern nur auf grüne Zahlen schaut, tut sich schwer. Wenn Investoren sich doch mal trauen – sei es im LEH oder im DIY-Bereich – sehen wir schnell: Es funktioniert nur, wenn Herzblut dazukommt. Ohne bleibt es farblos. Natürlich gibt es auch Filialisten und erfolgreiche Konzerne bei uns. Aber es sind wenige im Vergleich zur Möbelbranche, zum Modeeinzelhandel oder, oder. Welche Branche baut zum Beispiel noch neue, großflächige Einzelhandelsflächen, mit einem Investment, wie es beispielsweise für Gartencenter nötig ist?
Ist das gut oder schlecht?
Klar wäre es schön, wenn mehr Kapital in der Breite zur Verfügung stünde. Für Digitalisierung, bessere Vermarktung, Personalbindung, mehr Strukturen. Aber vielleicht ist genau dieser Engpass auch ein Katalysator für Kreativität. Denn was unsere Branche trotz aller Widrigkeiten so besonders macht: Sie bringt echte Persönlichkeiten hervor. Menschen, die sich nicht vom Wetter entmutigen lassen. Die im Lager nachts noch kommissionieren. Die zwischen Familienfeier und Versteigerung noch schnell den Lkw abladen. Und die gleichzeitig auf Instagram posten, wie schön die Frühlingsdeko gerade aussieht. Diese Mischung aus Erdung und Innovation findest du so nur selten. Familiär – im besten Sinne.
Unsere Geschichte handelt nicht nur von Blüten und Pflanzen. Sie handelt von Verantwortung, von Nähe, von echter Leidenschaft. Wir müssen Sie „nur“ laut genug erzählen. Rupert Fey
Familiär heißt: Man kennt und hilft sich. Gönnt auch Kollegen Saisonerfolge. Und man weiß: Wenn es eng wird, ruft man sich gegenseitig an – nicht die Bank. Familiär heißt aber auch: Entscheidungen werden oft aus dem Bauch getroffen. Weil man weiß, was für die Kunden und das Team passt. Weil man nicht nur Zahlen sieht, sondern Menschen. Trotzdem ist diese Struktur gefährdet. Steigende Kosten und weniger Kunden gefährden das Miteinander. Im Sandwich von Markt, Einkäufern und Zulieferern auf der anderen Seite sind viele gefangen.
Meiner Meinung nach brauchen wir vor allem mehr Wertschätzung. Mehr Kunden, die den Unterschied spüren zwischen „irgendwo gekauft“ und „bei uns gewachsen“. Mehr junge Menschen, die sich trauen, neue Wege zu schaffen – um gemeinsam mehr Wertschöpfung zu schaffen. Die in der Branche für die Zukunft und den Zusammenhalt kämpfen. Und mehr Öffentlichkeit, die versteht: Wir brauchen den Mittelstand, ohne die Vielfalt wird es ganz schön trist. Und wenn die Inhaber mittendrin sind, gibt es statt Management-Skandalen Menschlichkeit und Vertrauen. Was die allermeisten Arbeitnehmer vermissen.
Unsere Geschichte handelt nicht nur von Blüten und Pflanzen. Sie handelt von Verantwortung, von Nähe, von echter Leidenschaft. Wir müssen Sie „nur“ laut genug erzählen – in unseren Betrieben, in den sozialen Medien, in der Kommunikation mit unseren Kunden auf jeder Ebene. In anderen Branchen ist „Family Business“ praktisch ausgestorben. Vielleicht ist das, was wir als Trägheit empfinden, unsere Chance für Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Authentizität. Jedenfalls sollten wir es pflegen und hegen.
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