
Der Grillmarkt ist nicht in der Krise – sondern in Bewegung
Ist der Grillmarkt in der Krise? So war ein Expertentalk auf dem BHB GardenSummit überschrieben. Die Vertreter von Herstellern, Handel und Verbänden stellten klar: Von einer Krise kann keine Rede sein – doch es gilt, neue Wege zu gehen. Der BBQ-Markt befindet sich in einem spannenden Wandel, den der Fachhandel nutzen sollte.
von Grit Landwehr erschienen am 15.07.2025
Wir müssen uns viel intensiver um das richtige Angebot kümmern, das unsere Kunden haben wollen. Dirk Weber, Head of Garden Divison OBI
Wir erleben aber eine angespannte Konsumstimmung. Die Kaufzurückhaltung ist spürbar, besonders im Premium-Bereich läuft es nicht mehr so einfach wie vor einigen Jahren. Dennoch gibt es Lichtblicke – beispielsweise haben wir im Vergleich zu letzter Saison bei bestimmten Produkten, wie Blitz, bereits zugelegt. Ich sehe das also nicht so negativ.
Dr. Peter Wüst: Herr Jedrau, wie blickt der Herstellerverband auf die Entwicklung? Norbert Jedrau: Ich erinnere mich an die Zeit, als ich vor 13 Jahren in der Branche angefangen habe. Damals hörte ich nur steigende Umsätze und Renditen. Dann aber kam Corona, und plötzlich verlief die Kurve konjunkturtypisch. Der BBQ-Markt folgt einem Zyklus: Es geht mal rauf und mal runter. Aber das ist Anstoß für Fortschritt. Auch, wenn mal eine Delle auftaucht, sollte das als Chance zur Neuorientierung gesehen werden.Ein prägnantes Beispiel: In der DACH-Region sind die Verkaufszahlen im Bereich Holzkohle zuletzt gestiegen. Das ist deutlich. Selbst wenn jemand von einer Delle sprechen möchte – der Markt ist innovativ und man sollte Herausforderungen nutzen, um die Strategie zu hinterfragen und zu verbessern.
Dr. Peter Wüst: Herr Schellhoss, wie sehen Sie als Fachhändler die Marktsituation? Daniel Schellhoss: Eine echte Krise hätten wir, wenn die Menschen keine Lust mehr aufs Grillen hätten. Das sehen wir aber überhaupt nicht – im Gegenteil: Die Freude am Grillen und Draußen-sein ist ungebrochen. Unsere Grillkurse sind so stark gefragt wie nie zuvor.
Eine Krise hätten wir, wenn niemand mehr Lust hätte zu grillen. Das sehe ich überhaupt nicht. Daniel Schellhoss, Geschäftsführer Santos Grills
Eine gewisse Marktdynamik gab es: Nach Corona hatten wir volle Lager und waren gezwungen, Rabattschlachten zu veranstalten. Problematisch sind die Entwicklungen, wenn Händler sich nur auf den Verkauf verlassen. Aber mit Kreativität und Erlebnisorientierung können wir erfolgreich sein. Sorgen würde ich mir erst machen, wenn keiner mehr zu unseren Kursen kommt oder nach neuen Grills fragt.
Was auffällt: Sehr günstige und sehr hochwertige Grills laufen aktuell am besten. Das mittlere Preissegment ist schwächer geworden. Der Kauf muss ein Erlebnis sein, nicht nur der Verkauf einer „Blechkiste“.
Dr. Peter Wüst: Gibt es Unterschiede zwischen Fachhandel und Großhandel? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Krise, eventuell in einem Segment? Dirk Weber: Die Auswirkung von Konsumklima und Marktdynamik ist je nach Vertriebsform unterschiedlich. Es ist entscheidend, mit flexiblen Konzepten auf Veränderungen zu reagieren. Wir haben etwa einen stark gestiegenen Online-Anteil, was bedeutet, dass auch digitale Bewertungen und kundennahe Präsentationen neue Herausforderungen bieten. Der Wandel verlangt also Anpassungsfähigkeit. Dr. Peter Wüst: Was können wir aus der Vergangenheit lernen, und wo gibt es für die Zukunft Verbesserungsbedarf? Speziell im Bereich Holzkohle sehen wir ja neue Regularien und Kosten – was heißt das für die Branche, Herr Jedrau? Norbert Jedrau: Zwei zentrale Themen stehen im Fokus: Nachhaltigkeit: Sie ist strategisch wichtig und wird von Konsumenten eingefordert. Aber authentisch! Nach dem (vorerst) zurückgezogenen EU-Vorschlag zu Greenwashing müssen wir selbst aufpassen, dass echte nachhaltige Konzepte glaubhaft vermittelt werden. Transportkosten und Regulierung: Aktuelle Vorgaben der International Maritime Organisation führen zu einer Verkürzung des erlaubten Stauraums für Holzkohle-Container um ein Drittel. Das bedeutet höhere Kosten und erschwert den Handel. Wir setzen uns als Verband für praktikable Ausnahmeregelungen ein, haben es aber aktuell mit viel Gegenwind zu tun.Dr. Peter Wüst: Herr Schellhoss, wie können Händler und Hersteller gegenüber dem Online-Handel hervorstechen? Daniel Schellhoss: Das Grillen muss zum Erlebnis gemacht werden – nicht nur Geräte ins Regal stellen! Grillkurse, Events, neue Produkt-Features, Influencer-Arbeit oder Rezeptideen: So schaffen wir Nähe und Begeisterung, die man online nur bedingt transportieren kann. Auch innovative Produkte oder kundennahe Promotions helfen dabei, sich abzuheben. Beratung spielt weiterhin eine große Rolle. Wir merken, dass Features, die im Fachhandel ausprobiert werden können, großen Zuspruch finden. Man muss für die Kunden da sein und ihnen zuhören – dann bekommt man viel zurück! Dr. Peter Wüst: Welche Rolle spielen Innovation und Kundenorientierung, insbesondere mit Blick auf junge Zielgruppen und neue Konsumententrends? Norbert Jedrau: Wir müssen uns die Frage stellen: Wissen wir wirklich genug über unser divers gewordenes Publikum? Junge Zielgruppen, Multikulti-Communities, veränderte Lebensstile – hier gibt es viel Potenzial. Beispielsweise grillen manche neue Bevölkerungsgruppen zwar leidenschaftlich, kaufen aber ihre Produkte woanders. Wir sollten offen sein für neue Zugänge zum Markt und darüber nachdenken, wie wir auch diese Kunden mit passenden Angeboten ansprechen.
Wir müssen uns ein Einkaufserlebnis bieten, das mehr ist als nur eine Blechkiste zu verkaufen. Daniel Schellhoss, Geschäftsführer Santos Grills
Dirk Weber: Auch wir sehen, dass das Segment Holzkohle bei jüngeren Konsumenten weiterhin sehr beliebt ist. In den letzten Jahren lag unser Hauptaugenmerk auf Gasgrills, aber das Holzkohlenthema verdient wieder mehr Beachtung, gerade für Studenten oder das spontane Grillen im Park. Hier gibt es Chancen, sich zu differenzieren. Daniel Schellhoss: Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, junge Menschen mit Eventformaten, Streetfood-Angeboten oder Innovationen gezielt anzusprechen. Man muss offen sein, ausprobieren und stets auf die Wünsche der Kunden hören – so entstehen neue Ideen, die den Markt weiterbringen. Auch Veganer oder Gruppen mit besonderen Anforderungen gehören mittlerweile selbstverständich zur Zielgruppe.
Wir müssen auf alle Kunden hören, die da sind, auch junge Leute und Menschen mit anderer Grillkultur. Norbert Jedrau, BIAG-Geschäftsführer
Alle Teilnehmer sind sich einig: Der Grillmarkt steht nicht am Rand einer Krise, sondern befindet sich im natürlichen Wandel. Wer aufmerksam zuhört, innovativ ist, Erlebnis und Authentizität bietet und Nachhaltigkeit ernst nimmt, wird auch künftig Erfolg haben.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.