
Mathys fragt …
Wir müssen vermitteln, wie sexy dieser Beruf ist
Oliver Mathys spricht mit Michael Perry, besser bekannt als „Mr. Plant Geek“ über seine Leidenschaft für Pflanzen und die Unterschiede zwischen der britischen und deutschen Gartencenterbranche.
von Oliver Mathys erschienen am 29.08.2024
Michael Perry (l.) alias „Mr. Plant Geek“ ist bekennender Pflanzenfreak. Durch seine Tätigkeit als Pflanzenjäger bei Thompson & Morgan wurde er in die Top 20 der einflussreichsten Personen in der Gartenwelt der Sunday Times aufgenommen. Er ist in den sozialen Medien sehr aktiv und wurde so zu einer Art Branchen-Influencer. mrplantgeek.com © Oliver Mathys
Oliver Mathys: Michael du bist zwar weltweit tätig und in unserer Branche sehr bekannt, aber doch im vorwiegend englischsprachigen Raum. Stell dich doch kurz all denen vor, den der Name „Mr. Plant Geek“ nichts sagt.
Michael Perry: (mit sehr breitem Lächeln) Das kann ich ganz kurz machen – ich bin ein Pflanzenliebhaber – ja regelrecht ein Pflanzenfreak. Und das ging bei mir schon in ganz jungen Jahren los – eigentlich ist meine Oma Schuld! Sie hatten damals einen Pflanzen- und Gemüseverkauf, hauptsächlich Beet und Balkon und Outdoorpflanzen. Und als Lieblingsenkel durfte ich da immer mithelfen. Sei es beim Gießen, den Kunden beim Einladen helfen oder dann auch schon mal hinter der Kasse.
OM: Der Oma helfen ist das Eine, aber jetzt als internationaler Kundenversteher die Menschen für ‚alles Grüne‘ zu begeistern doch ein weiter Weg scheint mir?!
MP: Ja, das war aber auch gar nicht so geplant, sondern entstand mit der Zeit. Und das habe ich sicher erstmal auch meinem Bauchgefühl zu verdanken. Bereits sehr früh hatte ich das Glück bei Thomson & Morgan – dem ersten Postversand-Unternehmen in UK zu beginnen und dort in den unterschiedlichen Abteilungen zu arbeiten. Da half mir sicher ein interner Mentor, welcher schon früh meine Stärken erkannte und mich nach geraumer Zeit ins Marketing brachte und dort weiter förderte. So konnte ich 18 Jahre lang die tollsten Projekte mit entwickeln. Das Unternehmen konnte mir durch seine Größe sehr viel bieten – ich konnte in der Praxis lernen. Es war auch die Zeit als es mit den sozialen Netzwerken begann und sehr schnell erlebte ich in der Praxis welche Kraft Storytelling entfalten kann. Bereits vor Covid war das ein wichtiges Mittel – wurde dann aber sehr verstärkt und beschleunigt.
OM: Ich erinnere mich – als ich mich im deutschen Markt mit den Tomtatos beschäftigte, hattest du sie für Thomson & Morgan exklusiv für den englischen Markt.
MP: Stimmt, das Produkt ist natürlich wie kaum ein zweites prädestiniert für Storytelling. Aber schlussendlich vertreiben wir alle zusammen emotionale Produkte, in denen gerade vonseiten der Gärtner und Züchter sehr viel Herzblut steckt. Generell aber hat das Bedürfnis nach Pflanzen gerade seit der Pandemie extrem zugenommen und von diesen Neukunden sind rund 40 % geblieben. Diese gilt es weiter zu halten.
OM: Zu bist hauptsächlich in Großbritannien tätig. Wo siehst du die Unterschiede zu Deutschland – die Stärken oder aber auch die Schwächen?
MP: Ich kenne den deutschen Markt zu wenig, aber in den UK haben wir Glück dass der Konsument den Wert der Pflanzen schätzt. Man freut sich über das Wachstum oder den Neuaustrieb im Frühling. Vielleicht war dies auch der Grund warum vor etlichen Jahren der Zimmerpflanzenmarkt teils an die Supermärkte ging – wir konnten im Indoorbereich anscheinend den Mehrwert schwerer vermitteln. Zum Glück ist aber mit der neuen Generation der jüngeren Kunden dieser Markt stark am Wachsen – gerade im Fachgartencenter.
OM: In Deutschland ist es (nicht nur in der grünen Branche) schwer Mitarbeiter zu finden – wie ist das bei euch – und wenn ihr sie habt, wie gelingt es, sie zu binden. MP: Ich glaube, wir stehen alle vor der Herausforderung, aber auch hier ist es Glück, dass Pflanzen beliebt sind und es ist an uns, zu vermitteln wie sexy dieser Beruf ist. Viele Leute lieben es mit Pflanzen zu arbeiten. Wir müssen nur aufhören Quereinsteiger abzulehnen. Ich bevorzuge Quereinsteiger, die die Produkte lieben und mit den Kunden auf Augenhöhe kommunizieren. Wenn wir sie mit einigen gezielten Kursen weiterbilden klappt das schon. Ich habe einen Bekannten, welcher ebenfalls aus einer fremden (kaufmännischen) Branche stammt aber ein Pflanzenliebhaber ist und auch sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Der hat jetzt ein Gartencenter und wie ich so höre, durchaus erfolgreich. Natürlich hat er auch Fachleute bei sich im Unternehmen – aber es ist ein gesunder Mix. OM: Die Branche steht ja im Moment unter Druck – wir sind wie immer sehr Wetter abhängig. Wo siehst du Chancen, wo die Risiken? MP: Verschiebungen durch das Wetter gibt es natürlich immer. Wir sollten aber darauf achten dass der Pflanzenanteil im Unternehmen groß genug bleibt. Sicher sind immer wieder verschiedene Abteilungen unter Druck, aber auch das sind Schwankungen. Sehr viel Potential sehe ich in den Weihnachtssortimenten und nach wie vor in der Gastronomie. OM: Das Level der Restaurants in Großbritannien ist um einiges höher als in Deutschland und auch die Anzahl der Sitzplätze kann man kaum vergleichen. MP: Ich war überrascht, als ich in Deutschland in zwei Gartencenter kam, die gerade jetzt im Sommer das Café einen Monat geschlossen haben. Das wäre in UK unvorstellbar, da gerade jetzt in den ruhigeren Monaten die Gastronomie zu einem großen Anteil am Umsatz des Unternehmens beteiligt ist. Allerdings werden da regionale und saisonale Produkte auch ganz anders gespielt. Es ist immer wieder spannend zu sehen, dass gerade die Restaurants in verschiedenen Gartencentern in England im Vergleich zu normalen Restaurants ein qualitatives überdurchschnittliches Niveau erreichen. OM: Würdest du die Gastronomie als Gartencenterinhaber selbst betreiben oder verpachten? MP: Das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber nur wenn man es selbst unter Kontrolle hat, kann man es steuern. Es muss aber professionell gemacht und keinesfalls ein Hobby sein, sonst wäre der Misserfolg nahezu vorprogrammiert. OM: Ich bin neugierig: Hast Du als Pflanzenfreak auch eine eigene Lieblingspflanze? MP: Natürlich – meine Favoritin ist die Iris! Und da ist wieder meine Großmutter Schuld. Sie hatte eine kleine Sammlung mit den unterschiedlichsten Blütenformen, Farben und zarten Zeichnungen. Und sie zeigte mir auch die jeweiligen Unterschiede und die Liebe zu den Details. OM: … und da schließt sich der Kreis. Danke für das Gespräch !
Wir müssen aufhören Quereinsteiger abzulehnen. Ich bevorzuge Quereinsteiger, die die Produkte lieben und mit den Kunden auf Augenhöhe kommunizieren. Michael Perry
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