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Mathys fragt …

Die Verbraucher müssen sensibilisiert werden

von Oliver Mathys erschienen am 18.07.2023
Oliber Mathys (l.) im Gespräch mit Prof. Dr. Paul Lampert ©
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Zur Person
Prof. Dr. Paul Lampert
wurde zum 1.Dezember 2022 zum Professor im Lehrgebiet „Kultur- und Produktionssystem im nachhaltigen Pflanzenbau“ am Fachbereich Gartenbau der FH Erfurt berufen. Hier lehrt er im Bachelor „Gärtnerischer Pflanzenbau“ und im Master „Nachhaltiger Pflanzenbau in Forschung und Praxis“.
Oliver Mathys: Paul, bitte stelle Dich doch zunächst kurz vor. Paul Lampert: Seit Ende letzten Jahres bin ich an der FH Erfurt im Fachbereich Gartenbau und lehre und forsche dort zu „Kultur- und Betriebssystemen im nachhaltigen Pflanzenbau“. Das umfasst Fächer wie Nachhaltige Unternehmensführung, Nachhaltigkeitsmarketing oder Ökobilanzierung. Grundsätzlich bin ich Gärtner und habe an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) noch den „klassischen“ Gartenbauingenieur (FH) gemacht. Danach habe ich Bereich Konsumentenverhalten bei der CO2-Bilanzierung von Gartenbauprodukte an der TU München im Bereich Wirtschaftswissenschaften promoviert und einige Jahre an der HSWT als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet, bevor ich dann als Geschäftsführer in unsere Ausgründung, der GreenSurvey Marktforschung GmbH gewechselt bin. OM: Erst vor kurzem erfuhr ich, dass dein Uropa in Wien am Hofe die Gärten betreut hat - ist dir der Beruf also in die Wiege gelegt? PL: Ja, er ist Teil der Familiengeschichte: Mein Uropa, Opa, Vater, Onkel, Cousin sind alle Gärtner. Die Gewächshäuser waren als Kinder unser Spielplatz, das erste Taschengeld haben wir uns mit dem Anfüllen von Töpfen an der Topfmaschine verdient. OM: Eine deiner Kernkompetenzen ist Torf, respektive torffreie Substrate. Wie ist der Stand - was erwartet die Branche. PL: Ich beschäftige mich in verschiedenen Forschungsprojekten weniger mit der direkten Zusammensetzung der Substrate, das machen beispielsweise die Kollegen an der Hochschule-Weihenstephan-Triesdorf, sondern vielmehr mit der Verwendung – sowohl beim Produzenten, als auch beim Verbraucher. Auf Produktionsseite ist die Erwartung klar: Kultursicherheit. Die kann, nach allem, was wir bis jetzt in Modell- und Demonstrationsvorhaben beobachten können, und mit vielen Branchenexperten und Kultivateuren in Workshops bisher diskutiert haben, in vielen (nicht allen) Kulturen mit einem Torfersatzanteil von rund 50 % noch gut gewährleistet werden. Wenn wir dann hierzu die CO2-Bilanz betrachten, bekommen wir durch die Torfreduktion die Emissionen unserer Produkte schon deutlich nach unten, was ja unter anderem erklärtes Ziel der „Torfausstiegsstrategie“ der Bundesregierung ist. Gänzlich torffrei zu produzieren kann auch bereits funktionieren, was nicht nur Beispiele aus der Schweiz zeigen, die mit dem Torfausstieg bereits weiter vorangeschritten sind. Hier braucht es aber definitiv noch mehr Erfahrungswerte und „Best Practices“, die Gärtner wieder an Gärtner weitergeben. OM: Mit einigen Kollegen teste ich seit nun mehr zwei Jahren verschiedene Ersatzprodukte - bis jetzt bin ich noch nicht ganz begeistert. Außen trocknet gerade die oberste Schicht von 20 cm sehr schnell ab und Innen ist der Duft sehr intensiv. Zudem fehlt oftmals eine Grundfeuchtigkeit gerade bei größeren Töpfen. PL: Du sprichst hier Probleme an, die immer wieder auftauchen, aber nicht zwangsläufig auftreten müssen. Das hängt einerseits von der Mischung deiner Torfersatzstoffe ab aber auch von der Produktionscharge oder wie lange die Sackware möglicherweise bereits in der Verkaufsstätte lag. OM: Ich mache mir vor allem Sorgen bei den Konsumenten, welche sich ja auf ihre Erfahrung verlassen und die wird nun über den Haufen geworfen. Wie soll man damit umgehen? PL: Im Modell- und Demonstrationsvorhaben HOT („Hobby-Gartenbau mit torfreduzierten und torffreien Substraten auf Basis nachwachsender Rohstoffe“) haben wir zusammen mit „Bürgerwissenschaftlern“ torfreduzierte und torffreie Substrate direkt im Verbraucherkontext getestet. Da gab es sowohl bei torfreduzierten als auch bei torffreien Substraten schöne Erfolge, aber auch Ausfälle. Nach der ersten Saison 2022 konnten wir beobachten, dass erfahrene Hobbygärtner, also die Gruppe der Teilnehmenden aus Obst- und Gartenbauvereinen, tendenziell erfolgreicher waren und keine „Totalausfälle“ zu verzeichnen hatten. Interessanterweise gaben uns die Teilnehmenden am Ende der Saison das Feedback, dass die Pflegemaßnahmen für die meisten Hobbygärtner zu den erwarteten Ergebnissen geführt haben und gegenüber einer torfhaltigen Variante keine großen Anwendungsprobleme zu verzeichnen waren. Die Erwartung ist natürlich sehr subjektiv, das heißt nicht jeder würde diese individuelle Erwartung beim Betrachten der Fotodokumentation als objektiven Erfolg werten. OM: Die Kontaktpersonen zu den Konsumenten sind ja die Verkäufer auf der Fläche. Wie sollen diese geschult werden? PL: Im Forschungsprojekt HOT stehen auch Konzepte für erste Schulungen von Verkaufspersonal auf der Agenda. Grundsätzlich gilt es, die Verbraucher zu sensibilisieren, dass mehr Kontrolle des Pflanzenbestandes notwendig sein wird. Was uns sowohl die Schaupflanzungen an der HSWT als auch die Reallabore zeigen, sind beispielsweise eine größere Anzahl an Gießvorgängen, wobei die Wassermenge insgesamt sich nicht zu unterscheiden scheint. Im Bereich der Dünger wird möglicherweise die Denkweise weg von einem pflanzenspezifischen Dünger hin zu einem substratspezifischen Dünger gehen müssen. OM: Aber letztlich ist das Produkt, wenn es in torffreier Erde produziert wurde, ein anderes. Auch hier die Frage, wie der Konsument damit umgehen wird? PL: Zunächst wird er nach gewohnten Pflegemustern verfahren. Eine Verhaltensänderung beim Verbraucher herbeizuführen – und das wissen wir aus vielen Studien zum Konsumentenverhalten – ist zunächst mal keine einfache Sache. Hier wird es sicher Lernkurven geben und die ein oder andere Pflanzen möglicherweise weniger lange in der Wohnung stehen. Das ist eine Chance für den Fachhandel, kompetent zu beraten. Jedoch müssen für diese Beratung auch erstmal Erfahrungswerte gesammelt werden, die dann weitergegeben werden können. OM: Bei der Produktion scheint es mir einfacher zu steuern, oder irre ich mich? PL: Ich kann zwar einfacher steuern, aber erstmal muss ich die Richtung wissen, wo es langgehen soll. In der Produktion möchte ich am Ende ein möglichst einheitliches, qualitativ hochwertiges Produkt. Mit den eingeführten torfhaltigen Substraten sind die Stellschrauben bekannt, um die Kultur in die richtige Richtung zu steuern. Wie vorhin erwähnt, muss hier vor allem für komplett torffreie Substrate diese Navigation durch Erfahrungswerte erst noch aufgebaut werden. Aus meiner Sicht macht es erstmal mehr Sinn, die Hobbygärtner zu bearbeiten. OM: Hast du selbst einen Garten oder Balkon und was sind deine Lieblingsblumen? PL: Ja, wir haben einen Garten und die Blütenpracht der Paeonien hat es mir dabei besonders angetan! OM: Vielen Dank für das Gespräch!
Autor:in
Oliver A. Mathys
begleitet „DEGA GRÜNER MARKT“ seid 2007 als Kolumnist. Der Gärtner und Floristmeister war im Export in den Niederlanden tätig und ist als Betriebsconsultant europaweit unterwegs. Er befragt an dieser Stelle Kollegen zur Situation und Zukunft der Branche.
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