
Ich bin es leid
Ende des Jahres traf ich auf einen frustrierten Landschaftsgärtner, der einen Flüchtling ausbildet und sich alleingelassen fühlt: von der Politik, seiner Berufsständischen Vertretung, der Verwaltung und allen, mit denen er zu tun hatte. Er bedankte sich für das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch, das eine der wenigen Hilfen auf dem Weg gewesen sei, ihm aber irgendwann auch nicht mehr geholfen habe.
von Tjards Wendebourg erschienen am 05.03.2024Nun sind wir nie davon ausgegangen, dass das Buch jedes Integrationsproblem löst. Wir wollten damit nur eines der Probleme angehen: die Vermittlung der Fachsprache. Aber bereits als es darum ging, das Werk zu finanzieren, ist uns schnell klargeworden, woran dieses Land wirklich krankt: Es fehlt an Menschen, die Lust haben, Probleme zu lösen. Und dabei bin ich weit davon entfernt, das beliebte Politikbashing zu betreiben. Ich meine uns alle; also mehr oder weniger uns alle.
Ich wollte das Konzept kostenlos zur Verfügung stellen, damit es in andere Branchen übertragen werden kann. Ich habe mit Ministerien gesprochen, mit der Arbeitsagentur, dem Bundesamt für Migration. Es gab Lob und Interesse, aber niemanden, der verantwortlich war. So gab es nie ein Bilder-Wörterbuch für die Gastro oder die Pflege. Das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch bleibt allein und steht stellvertretend für die vielen ungelösten Probleme dieses Landes, um die lieber Schlammschlachten geführt werden, statt sich der Lösung zu widmen.
Wer, wie ich, als lösungsorientierter Mensch auf das abgelaufene Jahr blickt, hat es schwer, sich nicht frustrieren zu lassen. Und ehrlich gesagt, bin auch ich es manchmal leid. Ich bin es leid, dass Kompetenz durch Lautstärke und Anstand durch Skrupellosigkeit ersetzt wird. Ich bin die Sonntagsreden ebenso leid wie die stumpfsinnigen Parolen von denen, die noch nie etwas Konstruktives zur Gesellschaft beigetragen haben. Ich bin die politischen Ränkespiele leid, die nie Gesellschaft und Zukunft im Sinn haben, sondern immer nur den Machterhalt. Ich bin das Gejammer leid um wegfallende Subventionen, als sei es selbstverständlich, dass der Staat bestimmte Privilegien protegiert. Ich bin alles leid, was uns davon abhält, unsere Zukunft konstruktiv zu gestalten.
Aber ich werde mich nicht entmutigen lassen. Ich hoffe, Sie auch nicht. Ich wünsche mir, dass wir uns in diesem Jahr auf unsere Stärken besinnen. Dass wir weniger auf andere zeigen und uns stattdessen fragen, was wir selbst tun können. Dass wir um Lösungen ringen, statt uns zu beschimpfen. Dass wir aufhören, alles als selbstverständlich anzunehmen, nur weil es zufällig da ist. Es ist nichts selbstverständlich. Es geht uns verdammt gut. Und wenn das so bleiben soll, müssen wir endlich den Arsch hochkriegen und etwas dafür tun.
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