Über Nachwuchs und Nachfolger
In keinem Land Europas gibt es so viele Blumenfachgeschäfte wie in Deutschland. Auch wenn es seit Jahren weniger werden, sind wahrscheinlich nur Bäckereien im präsenter Straßenbild. Eine Tradition, die es zu bewahren gilt. Basis sind die oft seit Generationen existierenden Familienunternehmen. Doch selbst im besten Fall, wie das nachfolgende Beispiel aus dem Westerwald zeigt, ist eine Firmenweitergabe keine Selbstverständlichkeit.
von Martin Hein, Hamburg erschienen am 20.01.2025Seit Generationen ist es eher die Regel als die Ausnahme: Junge Menschen möchten ihren eigenen Weg finden. Beruflich heißt das oft, dass sie etwas anderes machen möchten als ihre Eltern. So war das auch bei Katharina Eidt, geborene Kaiser. Als sie vor dem Abitur stand, hatte sie die Kunstwelt für sich entdeckt, sie wollte kreativ tätig sein. Aber Floristik wie die Mutter Elfi oder Gartenbau wie der Vater Werner? Nein! „Alltagsfloristik war mir zu wenig kreativ“ und wie der Gartenbau „Arbeit ohne Ende“. Was dann? Zunächst einmal Praktika, bei einem Steinmetz, im Grafikbereich, sogar im Hotel – alles nicht das Richtige. Ein Eignungstest beim Arbeitsamt ergab: Floristin. Der Weg war aber schon abgewählt. Und dann kam der Zufall zur Hilfe.
1Vater Werner Kaiser kam von einem Seminar bei Gregor Lersch zurück und brachte eins seiner Bücher mit. Da hat es gefunkt, „das war für mich Kunst“. Nie gesehene Blumen, vielfältige, ganz eigene Gestaltungsstile, kreativ gestaltete Natur, Land-Art für die Wohnräume – alles andere als Alltagsfloristik. Verabredet wurde ein einwöchiges Praktikum bei Gregor Lersch. Das war´s, der eigene Weg war gefunden.
Nach dem Abitur im Jahr 2002 begann die Ausbildung bei Gregor Lersch. Und die Erkenntnis, dass für viele junge Kreative Floristik mehr ist als der rundgebundene Strauß. An dieser Stelle nur einige Namen der Personen, die damals im Team von Gregor Lersch wirkten: Britta Ohlrogge, Uta Lorenz, Daniel Santamaria, Steffen Teuscher, Felix Geiling-Rasmus, Victoria Salomon, Jasmin Centner, Kirsten Faber, auch Mehmet Yilmaz „tauchte immer mal wieder auf“.
© Andrea MaxsischEs war schon ein Highlight, als ich zum ersten Mal Barbara Schöneberger bedient habe. Katharina Eidt
Dann folgte der nächste, wieder ein großer Schritt. Es ging in den hohen Norden, nach Hamburg, in den Nobel-Stadtteil Nienstedten, wo der 2022 verstorbene Michael Graaf ein von seinen Vorfahren 1876 gegründetes Top-Blumenfachgeschäft führte. Wieder eine andere Welt. Über 30 Floristinnen und Floristen, aufgeteilt in Teams für den Laden, die Event-Schiene, die Trauerfloristik. Die im ländlich geprägten Westerwaldkreis aufgewachsene Jung-Floristin traf auf eine eher mondäne Welt. „Es war schon ein Highlight, als ich zum ersten Mal Barbara Schöneberger bedient habe“. Nach Gregor Lersch war die Hamburger Zeit ein zweiter wichtiger Schritt in die Professionalität. Doch dann kam das Heimweh.
Zurück in der Heimat machte sie sich auf Rat ihres damaligen Freundes selbstständig. Mit 24 (!) Jahren, im Bereich der Büro- und Messeausstattung. Die Beziehung ging in die Brüche, die Werkstatt wurde zu den Eltern verlegt und dann suchte die Berufsschule eine Vertretung für eine erkrankte Lehrerin. Katharina Eidt nahm das Angebot an, bis heute lehrt sie einmal wöchentlich an der Berufsschule. Die Berufsschule drängte auf eine Meisterausbildung, der Weg dazu führte (wie zuvor bei der Mutter) nach Grünberg.
Das war 2015, der Zeit, als auch die Mutter immer stärker an Rheuma litt. „Meine Eltern haben damals gesagt: Schau dir den Laden an.“ Was Katharina Eidt sah, hat ihr gefallen und in Wirges konnte ein verkehrsgünstiger gelegener ehemaliger Steinmetzbetrieb gekauft werden. Seit 2017 ist „Blumen Kaiser“ dort unter der Leitung von Katharina Eidt untergebracht.
„Blumen Kaiser“ bedient alle Facetten eines Blumenfachgeschäfts, ungewöhnlich in einer Kleinstadt ist der Schwerpunkt Pflanzgefäße. Begonnen hat das Geschäft mit dem Pflegeauftrag bei einem großen Steuerbüro, heute sind über 50 Pflanzgefäße bei diversen Firmen in Pflege. Das nötige Know-how für die Hydro-Kultur kam von einem Anbieter des Blumengroßmarkts in Frankfurt am Main (BZG), der seine Kenntnisse über Pflanzenauswahl und Standorte an das Kaiser-Team weitergab.
Apropos Blumengroßmarkt: Für Vater Werner Kaiser war der BZG Jahrzehnte lang die bevorzugte Einkaufsquelle, für Katharina Eidt ist das bis heute so geblieben. Dort trifft sie dann auch ehemalige Mitstreiter/-innen wie Jasmin Center, Kirsten Faber oder Felix Geiling-Rasmus. Mindestens einmal wöchentlich fahren Vater und Tochter um 3:30 Uhr los, rund eine Stude Fahrtzeit brauchen sie für die 90 Kilometer nach Frankfurt. Muss das sein, kann man heute nicht bequemer einkaufen? „Nein, am Blumengroßmarkt führt kein Weg vorbei“, meint Katharina Eidt. „Die dort angebotene Qualität finden wir nicht in den Online-Angeboten oder bei Breitfahrern.“ Ich muss die Ware sehen, anfassen können, so etwas geht online nicht“, führt sie aus. „Mein Augenmerk liegt auf der regionalen Produktion, die wir auch immer gegenüber unseren Kunden hervorheben.“
Am Ende des Gesprächs, die im Juni geborene Tochter Charlotte auf dem Arm, blickt Katharina Eidt aus dem Fenster des schon vom Urgroßvater und danach vom Großvater in Hundsangen bewohnten Hauses, in dem die Familie Eidt nun lebt. Der Blick schweift über den eigenen Garten hinüber zur Gärtnerei. Sie muss gar nichts sagen – ihre Verwurzelung ist auch ohne Worte spürbar. Der Kreis, der über Bad Neuenahr und Hamburg führte, hat sich geschlossen.
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