Was heisst Nachhaltigkeit im grünen Einzelhandel?
Wo fängt man? An welchen Rädchen kann man drehen? Wir haben einmal für Entscheiderinnen und Entscheider im Grünen Einzelhandel eine kleine Checkliste entwickelt, wie man Gartencenter oder Geschäfte nachhaltiger gestalten kann.
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Betriebsführung
> Klare Ziele und Prioritäten formulieren: Je schwammiger das Wort "Nachhaltigkeit" verwendet wird, desto wichtiger ist es, den Begriff für das eigene Unternehmen zu schärfen. Was bedeutet Nachhaltigkeit für mein Unternehmen (Leitsätze formulieren, Definitionen aufstellen)? Was passt zu meinem Laden? Wie kann ich die Ziele vertreten? Wie kann ich meine Teams mitnehmen? Wie kann ich Defizite überbrücken und schlüssig kommunizieren? Unklar formulierte Ziele führen zu Beliebigkeit und ausbleibendem Umsetzungserfolg. Klare Prioritäten helfen, die wichtigsten Dinge nicht aus den Augen zu verlieren.
> Mitarbeiter mitnehmen: Klar, die Nachhaltigkeitsstrategie für das Unternehmen ist Chefsache. Doch nur, wenn die Mitarbeiter mitspielen und es ein gemeinsames Verständnis gibt, was alles ein Unternehmen nachhaltiger macht, kann die Strategie aufgehen. All die vielen kleinen Alltagsentscheidungen und Prozesse summieren sich. Und wenn das Bewusstsein für die entscheidenden Rädchen einmal geweckt ist, kann jeder mitmachen.
> Energieverbrauch reduzieren: Der Energieverbrauch des eigenen Unternehmens ist ein Parameter, der zeitgleich mehr Nachhaltigkeit und zugleich Einspareffekte bringen kann. Ein Tabelle der Stromverbraucher (Heizung, Beleuchtung, Systeme, Lieferfahrten etc.) hilft, die lukrativsten Ansatzpunkte zu finden und die Möglichkeiten von Einsparungen zu bewerten. Neue Heizanlagen (z.B. Wärmepumpen) helfen auch den Wärmeverbrauch zu drosseln. LED reduzieren den Stromverbrauch bei Beleuchtungen. Solarthemie-Anlagen auf dem Dach reduzieren den Energiebedarf für die Watmwasserbereitung.
> Strom selbst herstellen: Ein Großteil des Stroms lässt sich mit geringen Aufwand mittlerweile selbst herstellen, zum Beispiel über effiziente Solarzellen in Kombination mit Batteriespeicherung. Auch mit Holzhackschnitzeln oder Biogas betriebene Blockheizkraftwerke helfen, Wärme und Strom mehr oder weniger nachhaltig zu erzeugen. Solarenergie lässt sich als sichtbares Anzeichen nachhaltiger Betriebsführung mit Sicherheit am besten ins Marketing einbauen. Auch kleine Windkraftanlagen sind ein sichtbarer Ausdruck der Bereitschaft, in Nachhaltigkeit zu investieren. Steht kein eigener Platz zur Verfügung, sind werbewirksam vermarktete Anteile an Bürgeranlagen (Solarparks, Windparks) eine Alternative.
> Vorsicht vor Lichtverschmutzung: Natürlich ist das schön, Dinge mit Licht zu inszenieren und Kunden über die Beleuchtung anzulocken. Aber nicht nur wegen des Stromverbrauchs sollte der Einsatz von Licht gut geplant sein. Es passt nicht zum nachhaltigen Image, nachtaktive Insekten an heißen und hellen Leuchten zu verschmoren bzw. den Himmel mit Licht zu verschmutzen. Geeignete Leuchtmittel, Bewegungsmelder und Abschaltzeiten helfen, den Nachteilen von Beleuchtung entgegenzuwirken.
> Fahrzeugflotte umstellen: Wer grüne Produkte verkauft, ist auch gut in einer grünen Flotte unterwegs. Strom- und Wasserstofffahrzeuge machen sich nicht nur im Marketing gut, sondern werden teilweise öffentlich gefördert, ermöglichen den Verbrauch selbst erzeugter Energie und können am Ende sogar sparen helfen. Gerade auf der Kurzstrecke und in der Stadt machen diese Fahrzeuge besonderen Sinn. Auch Firmen(e)fahrräder und Lastenräder können in bestimmten Bereichen gut sicht- und nutzbare Zeichen des Umdenkens sein.
> Wasserverbrauch reduzieren: Wer viele Pflanzen hat, braucht auch viel Wasser. Selbst wenn sich die Regenwassernutzung wegen des vielerorts immer noch unfassbar niedrigen Wasserpreises nicht direkt auszahlt - mittelfristig ist es der beste Weg, autark zu werden. Unter dem Motto "Unser Gießwasser kommt vom Himmel" wird die Regenwassernutzung zum schlüssigen Marketingbaustein.
> Papierloses Büro anstreben: Manches muss tatsächlich noch physisch vorhanden sein - gerade in der Kundenkommunikation. Aber viele Dokumente werden nie wieder als Ausdruck gebraucht. Sie digital zu verwenden und abzuspeichern ist besonders dann nachhaltig, wenn auch der dafür notwendige Strom nachhaltig gewonnen wird. Das Motto könnte sein: "Wir stecken unsere Energie in gute Kommunikation und nicht in Papier".
> Auf Thermopapier verzichten: Produkte, nach deren Berührung man sich die Hände waschen muss, weil man Angst bekommt, sich zu vergiften, sind von gestern. In diesem Sinne sind Kassenbons auf Thermopapier Auslaufmodelle. Der LEH macht es vor (z.B. Edeka)
> Kunden auf die Prinzipien von Nachhaltigkeit aufmerksam machen: Zu einem schlüssigen Auftritt gehört auch eine schlüssige Kommunikation. Weshalb machen wird das? Was haben Sie davon? Wie können Sie beitragen? Wer das Verständnis für die Prinzipien der Nachhaltigkeit weckt, darf auch beim Kunden mehr Verständnis für das eigene Tun und eine höhere Zahlungsbereitschaft erwarten.
> Nachhaltige Werbematerialien (Papier, Farbe): Zum schlüssigen Auftritt gehört auch, die Dinge bis zu Ende zu denken. Gerade bei Werbematerialien, die ja in der Regel Wegwerfprodukte sind, lohnt es sich, sie in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit zu beleuchten. Welchen Sinn, machen teure Maßnahmen, wenn ein billiger Plastikschnipsel sie zunichtemacht? Giftige Farben, beschichtetes Papier....all das können Punkte sein, die kritischen Kunden ins Auge fallen.
Produkte
> Regional einkaufen: "Made in the Region" versteht jeder ;) Regionale Produkte einkaufen, heißt, Wertschöpfung in der Region zu belassen, Einfluss auf deren Produktion nehmen zu können, Lieferwege zu reduzieren, und so auch den Kunden etwas zurückgeben zu können. Ein passiges Label (bitte kein Plastik!) hilft, mehr Beziehung zum Produkt und mehr Wertschöpfung zu erzielen. Und natürlich sinkt der Energieverbrauch für jede Flugmeile, die das Produkt nicht im Bauch eines Frachtflugzeuges zurückgelegt hat.
> Quote der Bioprodukte steigern: Auch Bioprodukte sind nicht per se besser, als konventionell produzierte Ware. Aber der Weg ist richtig. Bio-Produktion zahlt auf einen langfristigen Umstellungsprozess ein und verringert Dünger wie Pestizideinsatz. Je mehr Bio-Produkte im Mark stehen, je besser ist die Gesamtwirkung.
> Angebot an heimischen und insektenfreundlichen Pflanzen: Für jeden Standort gibt es auch heimische Arten - oft hapert es allerdings an der Verfügbarkeit. Dafür bieten sich in diesem Bereich gute Chancen, sich abzugrenzen und die eigene Ernsthaftigkeit zu untermauern. Welche Arten zum Beispiel besonders für Bienen taugen, sagt der Ulmer-Artenfinder.
> Torfanteil bei Pflanzen und Substraten senken: Es wird immer wieder argumentiert, dass besonders die Landwirtschaft über die Bodenbearbeitung erhöhte CO2-Emissionen durch die Zersetzung von organischer Substanz beiträgt und der Torfabbau nur ein relativ geringes Problem darstellt. Trotzdem kann es kaum sinnvoll sein, über Jahrtausende abgelagerte Substanz und die sich darauf entwickelten Biotopen für Wegwerfprodukte zu verbraten, während wir an anderer Stelle nicht mehr wissen, wohin mit dem Kompost. Jede Senkung des Torfverbrauchs in Fertigprodukten (Zierpflanzen), Jungpflanzen oder Sackware ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit (vergleiche Torfreduktionskampagne).
> Hölzer - ganz besonders Tropenhölzer - nur mit Zertifizierung: Auch bei den Hölzern ist der Handel von Holzprodukten nicht die Hauptursache für die Vernichtung der Wälder. Trotzdem tragen sie ihren Teil dazu bei. Wer nachhaltig werden möchte, sollte auf glaubwürdige Zertifikate achten oder Hölzer aus glaubwürdiger Quelle kaufen. Auch osteuropäische Hölzer, Kanadischer Redwood oder Sibirische Lärche werden oft über die Zerstörung unwiederbringlicher Biotope gewonnen.
> Einwegplastik vermeiden (z.B. Grillgeschirr/-besteck, Blumentöpfe): Grillteller aus Blättern, Besteck aus Bambus - es gibt keine Begründung, die Vermüllung öffentlicher Räume mit Kunststoffen zu befeuern. Letztlich gilt das auch für Pflanzgefäße und Trays - entweder Pfand oder organische Alternativen zum Kunststoff. Mehrkosten müssen über höhere Preise und gute Kommunikation zurückgewonnen werden.
> Produkte aus Recyclingkunstoff sind ein Beitrag zur Nachhaltigkeit: Mittlerweile wird so viel Kunststoff eingesammelt, dass die Recycler kaum noch wissen wohin damit. Gleichzeitig haben selbst Design-Gartenmöbler begonnen, aus Recyclingkunststoff hochwertige Produkte zu machen - etwa der italienische Möbelhersteller Nardi oder die katalanische Firma Vondom, die Gartenmöbel aus "Meeresplastik" herstellt.
> Vorsicht vor umweltschädlichen Chemikalien/Farben in Produkten: Doof, wenn man nachhaltig sein will und dann einer feststellt, dass sich Produkte im Sortiment befinden, die diesem Anspruch alles andere als gerecht werden. Augen auf beim Warenkauf! Wer Wiederverkäufer ist, hat mehr Pflichten als ein durchschnittlicher Konsument. Da muss man auch schon mal das Kleingedruckte lesen, Zutatenlisten studieren und Lieferanten auf Zusagen festnageln. Gerade bei Waren aus Ländern mit weniger strengem Verbraucherschutz ist Vorsicht angezeigt.
> Reduktion von Pestiziden im Angebot: Das Verkaufen von Giftstoffen erfordert nicht nur einen Sachkundenachweis für die betroffenen Mitarbeiter, sondern lässt sich im Marketing für ein Nachhaltigkeitskonzept auch besonders schwer vermitteln. Darum ist immer gut zu prüfen: Was ist überhaupt notwendig? Wie werden Produkte, die in den Augen vieler Verbraucher unsexy sind, überhaupt angeboten und ihr Verkauf erklärt? Lassen sich Alternativstoffe oder -techniken finden? Gerade das Vermarkten von halten Hausmitteln kann einen Weg der Abgrenzung bieten.
Verpackung
> Grundsätzliche Reduktion von Verpackungsmaterialien: Gerade Verpackungsmaterialien machen einen großen Teil des Müllaufkommens aus - sowohl Lieferverpackungen und Umverpackungen, als auch Verkaufsverpackungen. Sprechen Sie mit Ihren Lieferanten ab, was nötig ist. Achten Sie beim Einkauf auf schlüssige Verpackungen und vermeiden Sie Produkte mit unnötigen Umverpackungen. Gehen Sie selbst bewusst mit dem Verpackungsmaterialien um. Aus der Verpackung kann eine Strategie werden.
> Reduktion von Plastikverpackungen (Tüten, Folien, Bänder, Steck- und Klebeetiketten): Sie sind oft herrlich praktisch und dazu billig. Aber Plastikverpackungen machen mittlerweile einen großen Anteil des Müllaufkommens aus. Werden sie nicht zur Wiederverwertung, Verbrennung oder Deponierung erfasst, verbleiben ihre Reste für eine schiere Ewigkeit im Kreislauf der Natur - das gilt besonders für die kleinen Teile. Was macht ein Kunststoffaufkleber auf einer Biofrucht, was ein Kunststoffetikett mit Gummibändern an einer Biopflanze? Müssen die Pflanzcontainer aus anorganischem Kunststoff sein?
> Verwendung abbaubarer und organischer Produkte: Papier aus Gras, Folie aus Maisstärke, Etiketten aus Bioplastik, organische Druckfarben. Immer mehr Hersteller experimentieren mit Verpackungsmaterialien aus organischen Materialien. Achten Sie auf Schlüssigkeit des Angebotes und eine gute Kommunikation (Bioplastik: Besser 5 Jahre Verrottungszeit als 1.000 Jahre - aber auch da: "Bioplastik" ist nicht gleich "Bioplastik").
> Verwendung von Mehrweg-Systemen: Bei Töpfen, Trays und Kisten z.B. aus dauerhaftem oder Recycling-Kunststoff können Pfandsysteme nicht nur die verbrauchten Mengen reduzieren, sondern auch einen Ansatz für die Kundenbindung bieten. Denn wer zum Zurückbringen wiederkommt, kauft auch wahrscheinlich wieder etwas. Dabei ist zu beachten, dass die Pfandsysteme für den Kunden einen Nutzen bringen und gut kommuniziert werden.
> Verkauf von unverpackter Ware: In vielen Biomärkten werden Lebensmittel unverpackt angeboten, so dass die Kunden mitgebrachte Gefäße nutzen können. Bei einigen Produkten ist dies auch im Gartencenter möglich (Blumenzwiebeln, Saatgut etc.). Bei einigen Warengruppen kann das zu einer ganz neuen Inszenierung der Ware führen und die Kunden näher ans Produkt bringen.
> Bleiben Sie beharrlich! Ohne Impulse ändert sich nichts. Auch bei größeren Herstellern/Lieferanten/Einkaufsverbünden können Rückmeldungen zu Veränderungen führen, besonders wenn sie konsequent und wiederholt gegeben werden. Sie sind die Schnittstelle zwischen Industrie/Produktion und Konsument/in, Ihr Input ist entscheidend!
Bleiben Sie schlüssig. Schauen Sie, dass sich Ihre Entscheidungen für bestimmte, Produkte, Verpackungen und Prozesse nachvollziehen lassen und durch Fakten und gute Argumentation erklärbar sind. Man muss nicht alles auf einmal schaffen, aber man muss erklären können, wo man steht und weshalb man dort steht.
Und am Ende: Tun Sie Gutes und sprechen Sie drüber: Verwenden Sie alle Ihre Aktivitäten, um Ihr Image aufzubauen und ihr Marketing wirksamer zu machen. So lassen sich viele Maßnahmen leichter refinanzieren. Neue, bewußtere Kundengruppen versprechen zugleich höhere Wertschöpfung.
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