Keine Blumen mehr zum Gedenken?
Zu Muttertag verkaufte Jessica Grund-Grube in ihrem Blumenfachgeschäft viele Blumensträuße – darunter nur wenige Sträuße für das Grab, auch seltener als die Jahre davor. In den sozialen Medien hat sie diese Tendenz bei Kollegen auch wahrgenommen. Ihre Überlegungen sind: Hat sich der Ausdruck des Gedenkens verändert? Werden Blumen für das Grab seltener gekauft? Oder nur nicht mehr bei uns im Fachgeschäft?
von Jessica Grund-Grube erschienen am 10.07.2025Wenn ich darüber nachdenke, wie ich selber mit dem Gang zum Friedhof umgehe, sehe ich große Unterschiede gegenüber der älteren Generation: Blumen gehören für mich schon noch zum Gedenken dazu, jedoch: Ich selber gehe nicht gern und deshalb nur selten an das Grab meiner Mutter. Ich erinnere mich viel lieber an gemeinsam besuchten Orten an sie oder bei ihrem geliebten Stück Kuchen.
Ich weiß aus Kundengesprächen, dass eine Blüte an einem Bild des verstorbenen Menschen zu Hause für viele wichtig ist, wichtiger als der Strauß auf dem Friedhof. Dazu kommt: Oftmals ist die Grabstelle nur eine Platte im Boden oder es ist eine Gemeinschaftsstele ohne einen eigenen Platz für Blumen. Der Anteil der Urnenbestattungen – verbunden mit kleinen Grabstellen oder unter grünem Rasen – liegt laut Statista bei mittlerweile 80 % der bundesweiten Beisetzungszahlen.
Vielleicht gibt es aufgrund der mittlerweile vielfältigen Bestattungsformen – dazu zählt auch der Friedwald – einfach deutlich weniger individuelle Grabstellen? Dazu habe ich mich mit Guido Haas, Friedhofsleiter der kirchlichen Friedhöfe in Braunschweig, unterhalten. Wie sieht ein Grab denn heute aus? Im Verwaltungsbereich von Guido Haas mit etwa 1.400 bis 1.500 Bestattungen pro Jahr sind rund 80 % aller Neubeisetzungen – nicht in einem Bestandsgrab – als pflegefreie Grabstellen gewählt, also Bereiche, die vom Friedhofsamt gepflegt werden. Eine interessante Beobachtung von Guido Haas :„Der Wunsch des Verstorbenen, niemandem zur Last zu fallen und deshalb eine pflegefreie Stätte zu wählen, ist das eine. Das Bedürfnis der Hinterbliebenen ist oftmals etwas anderes.“ Der Wunsch, dem Verstorbenen beim Gang zum Friedhof etwas Gutes zu tun, etwas mitzubringen, zeige sich in den zahlreichen Blumengaben, die an den Gedenkstelen abgelegt werden. Oder durch Pflanzschalen, die auf die pflegeleichten Steinplatten gestellt werden, so Haas.
Ich kann das nur bestätigen: Wenn ich zum Grab gehe, nehme ich Blumen mit. Mit einem liebevoll gebundenen Strauß oder Blütenherz kann ich Gedanken ausdrücken. Das Ablegen von Blumen am Grab ist ein schönes Ritual, ohne Verpflichtung, sondern dann aus dem Bedürfnis heraus. Ich mag es auch, kleine Kerzen neben dem Marmorherz in der dunklen Jahreszeit anzuzünden, um etwas zu tun. Dieses Stückchen Kultur und Tradition gebe ich auch an meine Kinder weiter, und ich behaupte, das tue ich ungeachtet davon, dass ich selber einen Blumenladen habe. Es sind auch mal im Beet oder in der Wiese gepflückte Sträußchen.
Übertragen auf unsere Fachgeschäfte und Gärtnereien liegt die Chance vielleicht darin, immer Kleinigkeiten anzubieten, die dann auch abseits der üblichen Gedenktage unsere Kunden ansprechen, sodass wir die Blumen statt an wenigen Stoßtagen nun über das Jahr verteilt verkaufen. Teilt ihr diesen Gedanken?
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