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Interview

„Wir möchten Menschen ermutigen Abschiede aktiv mitzugestalten“

Katharina Scheidig gründete 2022 zusammen mit ihrer Freundin Kristina Steinhauf das Unternehmen Urnfold. In Handarbeit stellen sie in ihrem Atelier in Regensburg ökologische, gestaltbare Papierurnen her, aus einem Stück Karton, etwas Hanfschnur und einem Stück Graupappe als Bodenverstärkung. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist tief in ihrer Unternehmensphilosophie verwurzelt, ohne dabei die zeitgemäße Optik des Produkts hintenanzustellen. Urnfold ist offen für B2B Partner. Der Verkauf der Urnen ist deshalb auch in Floristfachgeschäften denkbar.

von Nadine Quist im Gespräch mit Katharina Scheidig erschienen am 10.07.2025
Als Abschiedsritual können die Urnen mit kleinen Einschnitten versehen werden, in die die angehörigen kleine gefaltete Botschaften stecken. © Katharina Scheidig
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Wie kamt ihr darauf Urnfold zu gründen und warum habt ihr Papier gewählt? 2014 verstarb Kristinas Vater. Sie und ihre Familie konnten keine Urne finden, die ihren Ansprüchen an Nachhaltigkeit, Persönlichkeit und Ästhetik entsprach. Deshalb hat sie als gelernte Geigenbauerin selbst eine Urne für ihren Vater gebaut – damals noch aus Holz. Kristina empfand es als sehr tröstlich, ihrem Vater auf diese Weise etwas zum Abschied mitgeben zu können. Jahre später wurde das Thema durch einige Trauerfälle in unserem Umfeld wieder präsenter und wir beschlossen, sich dem Objekt Urne aus einer Designperspektive zu nähern. Ziel war es, eine Urne mit einer zeitgemäßen und einladenden Ästhetik zu entwerfen, die einfach zu gestalten ist und die Persönlichkeit des Verstorbenen im Moment des Abschiednehmens unterstreicht. Danach soll sie möglichst schnell und rückstandslos in den natürlichen Kreislauf übergehen. Beim Design stand das Loslassen und nicht das Bewahren im Vordergrund. So fiel die Wahl schnell auf das Material Papier. Was ist eure „Mission“? Gestalte den letzten Moment. Wir möchten Menschen ermutigen Abschiede aktiv mitzugestalten. Die Papierurnen sind dabei als Gestaltungsgrundlage zu verstehen, denn Papier ist bekanntlich geduldig und robuster als man denkt. So können die Papierurnen von urnfold bemalt, beschrieben, beklebt, mit Blumen geschmückt, parfümiert, mit Letzten Nachrichten versehen und auf vielfältige Weise gestaltet werden. Zudem glauben wir an die tröstliche Wirkung schöner Dinge und möchten über diesen Ansatz das Thema Nachhaltigkeit im Kontext Bestattung zugänglicher machen. 
Die Papierurnen der Kollektion RAUM sind auch als kleine Urnen für Kinder und Sternenkinder erhältlich.
Die Papierurnen der Kollektion RAUM sind auch als kleine Urnen für Kinder und Sternenkinder erhältlich. © Katharina Scheidig
Wen möchtet ihr ansprechen? Wer sind mögliche Partner? Wir sind ein B2B Unternehmen und vertreiben unsere Produkte daher an andere Unternehmen, überwiegend aus dem Perimortalen Raum. Wir sind immer auf der Suche nach anderen in dem Feld, die sich auf für die Themen Design und Nachhaltigkeit interessieren. Das können von Bestattungshäusern, TrauerrednerInnen, FloristInnen, Gemeinden und Friedhöfen alle möglichen Leute sein. Vor allem unsere DIY-Urne richtet sich auch an den Hospiz- und Palliativ-Bereich, denn es kann sehr tröstlich sein, die Urne zusammen mit der Familie, den Freunden zu gestalten und zu bauen.  Was sind die nächsten Projekte/Kooperationen? Aktuell sind wir gut beschäftigt mit unserer Slowflower-Kooperation. Für das nächste Jahr stellen wir monatlich eine Urne zur Verfügung, welche dann nachhaltig, regional und saisonal geschmückt wird. Daraus ergibt sich dann hoffentlich auch eine kleine Publikation, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem Projekt „Plastikfreie Stadt“. 
Mehr Informationen zur Kooperation mit der Slowflower-Bewegung:

In der florieren! Ausgabe 7-8 2025 lesen Sie mehr über die Kooperation mit der Slowflower-Bewegung, aus der jeden Monat eine floral geschmückte Urne hervorgeht – ausschließlich mit saisonalen und regionalen Blumen geschmückt.

Die Urne “Morgen” erhielt von 
<b>Lisa Motullo</b>
 von Liebste Blumen einen Birkenkranz mit Trockenblumen.
Die Urne “Morgen” erhielt von Lisa Motullo von Liebste Blumen einen Birkenkranz mit Trockenblumen. © Katharina Scheidig/Urnfold
Für Oktober planen wir zusammen mit dem Schöner Sterben Kollektiv in Regensburg eine Kunstaktion, bei der wir zeigen möchten, wie viel 10.000 Dinge sind. Das ist die durchschnittliche Zahl, die eine Person in Deutschland vererbt.  Was zeichnet die Urnen aus? Ihre Form, ihr Material und die Möglichkeit zur Interaktion. Wir wollten ein Material mit einer hohen Ästhetischen Qualität verwenden, welches dennoch möglichst wenig Impact hat, also schnell und rückstandlos vergeht. Jede Urne entsteht aus einem einzigen Papierbogen (Gmund, 70 x 100 cm), Hanfschnur und etwas Graupappe für den Boden. Beim Design war uns auch wichtig eine Form zu finden, die wir zu Lebzeiten als schön und dekorativ empfinden, weg von der klassischen Eimerform. Auch liegt der Fokus hierbei auf dem Loslassen und nicht bewahren. Eine leichte, farbenfrohe Form unterstreicht diese Haltung. 
„Jeder hatte schon einmal Papier in der Hand und kann sich vorstellen darauf zu malen, zu schreiben, zu kleben etc.“  Katharina Scheidig
Wo werden sie hergestellt? Die Urnen werden von uns in Regensburg, in unserem Atelier, in Handarbeit hergestellt. Darüber versuchen wir alle Materialien und Dienstleitungen regional zu beziehen. Unser Papier kommt zum Beispiel aus Gmund am Tegernsee.  Können die Urnen für Baumbestattungen und ähnliche naturnahe Bestattungen eingesetzt werden? Ja, unsere Urnen können auf allen Friedhöfen und auch in Wäldern verwendet werden. Sie sind auch für die Friedwald GmbH zugelassen. Die Seeurne „Kaizen“ aus Algenpapier eignet sich sogar für Seebestattungen. In Kolumbarien müssen die Maße überprüft werden und geschaut, ob vergängliche Urnen zugelassen sind.  Wo sollen Urnfold-Urnen verkauft werden? Auch in „normalen“ Floristfachgeschäften?   Grundsätzlich können wir uns das vorstellen. Uns ist eine enge Zusammenarbeit mit unseren B2B Kunden wichtig. Diese sollen wissen, wie die Urnen verwendet werden und worauf man achten muss. In der Regel werden Urnen bei Bestattungshäusern gekauft, der Trend geht aber  langsam in Richtung Onlinehandel etc. Personen die eine Urne online oder bei einem anderen Anbieter kaufen, sollten dies mit ihrem Bestattungshaus, falls es dieses schon gibt, kurz abklären.  Was ist die Preisrange? Das ist eine schwierige Frage, da es sehr auf die Preisstruktur der Wiederverkäufer ankommt. Diese kann so unterschiedlich sein, dass auch eine UVP in der Branche nicht üblich ist. Im Einkauf sind unsere Urnen im unteren Mittelfeld im Vergleich zu anderen handgemachten Schmuckurnen. Im Onlineshop „finissage“ werden diese beispielsweise für Endkunden angeboten.
Zur Person
Die Gründerinnen von Urnfold
Katharina Scheidig (rechts im Bild) und Kristina Steinhauf lernten sich 2008 kennen. Katharina studierte Kommunikationsdesign mit den Schwerpunkten Fotografie und Interaktionsdesign an der TH Nürnberg und der Bauhaus-Universität Weimar. Kristina ist gelernte Geigenbauerin, hat einen Bachelor in Philosophie und einen Master in Perimortalen Wissenschaften. Einige Trauerfälle im Umfeld veranlassten die beiden sich dem Objekt Urne aus einer Designperspektive zu nähern. 2024 haben die Freundinnen und Geschäftspartnerinnen unmute.design gegründet. Als erstes Designbüro im perimortalen Raum entwickeln sie nachhaltige, ästhetisch ansprechende Produkte, partizipative Formate und neue Konzepte. Außerdem sind sie Teil des  Schöner Sterben Kollektivs .
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