Gestiegene Preise und Kaufzurückhaltung – wie reagieren?
Die gestiegenen Einkaufspreise und die spürbare Kaufzurückhaltung der Kunden beschäftigt derzeit viele Floristinnen und Floristen. Wie lässt sich damit umgehen? Wir haben uns in der Branche umgehört.
von Grit Landwehr erschienen am 15.05.2024Dass das Thema die Floristikbranche beschäftigt, zeigen die vielen Reaktionen und Kommentare auf einen Instagram-Post von Imke Matthiesen, Blumen Hansen Sylt:
© Blumen HansenWenn jemand sagt: „das ist aber teuer“ nehme es immer persönlich und möchte mich unbedingt rechtfertigen. Aber das ist eine Situation in der sich der ganze Handel befindet. Imke Matthiesen
In der Coronazeit stand die Welt still und jeder hat das Beste daraus gemacht. Und man war stolz durch dieses Tal gegangen zu sein, der Zusammenhalt war großartig und einmalig. Jetzt stehen wir alle vor einer schweren Herausforderung: die Inflation. Die Inflation trifft die Verkäufer, wie auch die Einkäufer. Und der extreme Preisanstieg macht es zu einem Balanceakt. Beim Blumeneinkauf möchte ich auf eine gute Qualität nicht verzichten, aber es soll auch Freude beim Verkauf bringen.
Selbstverständlich kann ich verstehen, dass die Gärtner, um zu überleben, einen höheren Preis nehmen müssen aber am Ende der Kette stehen wir. Und wenn jemand sagt: „das ist aber teuer“, klingt das in meinen Ohren wie: „ihr Kind ist hässlich“. Ich nehme es immer persönlich und möchte mich unbedingt rechtfertigen. Aber es ist eine Situation in der sich der ganze Handel befindet. Mal sehen wann es zur „Normalität“ wird.
Ich werde alles versuchen um so viel wie möglich für meine Kunden „rauszuholen“ aber das Tal wird länger sein als in der Corona Zeit. Aber gemeinsam bekommen wir das hin. Und wertschätzen „weniger ist mehr“, Hauptsache gut.
Imke Matthiesen, ist Inhaberin von Blumen Hansen auf Sylt. Sie betreibt einen der erfolgreichsten Instagram-Kanäle der Floristikbranche. Unter den über 55.000 Followern sind auch viele Floristenkolleginnen und -kollegen. blumenhansen.de
© Mette VasterlingWir versuchen den Kunden aktiv zu zeigen, dass wir Florist(inn)en mit einer tollen Kombination von Blumen und Farben das Beste aus dem Kundenbudget herausholen können, wenn wir freie Hand haben. Jessica Grund-Grube
Wie begegne ich den gestiegenen Preisen und der spürbaren Kaufzurückhaltung der Kunden? Mit einer guten Portion Respekt, anfangs auch mit schlaflosen Nächten, mittlerweile aber auch mit dem Blick auf die Chancen, die darin liegen.
In den vergangenen Monaten war ich gezwungen, noch genauer hinzuschauen, welche Sortimente und Dienstleistungen meine Kunden wertschätzen und in welchen Bereichen wir es schaffen, wirtschaftlich zu arbeiten. Grundsätzlich habe ich entschieden, dass ich die Preissteigerungen an die Kunden weitergeben muss, um kostendeckend und mit Gewinn zu arbeiten.
Aber einfach 25 Euro an den Strauß anheften, den meine Kunden zuvor für 20 Euro bekommen haben, das funktioniert nicht. Gerade im niedrigen Preisbereich bis 20 Euro ist es schwieriger geworden, etwas anzubieten, das eine floristische Handschrift zeigt und womit der Kunde noch etwas in der Hand hat. Und floristisch muss es bei uns sein, damit ich mich von den Mitbewerbern und Discounter um mich herum abhebe.
Die Grenze, ab wann ein Strauß „schon etwas hermacht“ (Kunden O-Ton), hat sich deutlich nach oben verschoben. Im Ideenstrauß-Bereich fangen unsere Serien mittlerweile bei 20 Euro an, vor 18 Monaten waren es noch 11,90 Euro. Das ist auch der Kalkulation der Arbeitszeit geschuldet. Unter 20 Euro gibt es am Wochenende unser „Vasenglück“, ein wöchentlich wechselndes gemischtes Blumenbund, das, zügig in Serie gelegt und mit Seidenpapier umhüllt, optisch Wirkung macht.
Wir versuchen den Kunden aktiv zu zeigen, dass wir Florist(inn)en mit einer tollen Kombination von Blumen und Farben das Beste aus dem Kundenbudget herausholen können, wenn wir freie Hand haben. Auch wenn es dann für 10 Euro nur eine Blüte ist, die mit wenig aber interessantem Beiwerk toll wirkt.
„Die Preise sind ja ganz schön gestiegen“ hören wir häufiger. Es ist gut, dann mit den Kunden ins Gespräch zu gehen und etwas zum Weg der Blume, zur Logistik und den Arbeitsschritten zu erzählen. Viele Kunden sind interessiert, woher die Blumen kommen und wie wir das Sortiment zusammenstellen (möglichst saisonal und regional) und pflegen, was bei Stammkunden für Transparenz und Verständnis sorgt. Bei hartnäckigen Preisnörglern weisen wir freundlich darauf hin, dass uns die Auswirkungen der Kostensteigerungen in allen Stationen des Blumenhandels treffen.
Jessica Grund-Grube ist Industriekauffrau, Floristmeisterin und Redakteurin. 2019 übernahm sie das Blumengeschäft ihrer Mutter, hat vergrößert und arbeitet jetzt mit einem fünfköpfigen Team. In florieren! widmet sie sich gemeinsam mit Rupert Fey (“Herr Rat“) als „Frau Tat“ Problem- und Fragestellungen der Branche. www.blumen-grund.de, Instagram: grundblumenverbinden
© beyond floraDu hörst „zu teuer“? Keine Panik. Hier und da ist das völlig normal! Wer es nie hört, ist vermutlich zu günstig und schöpft damit seine Potenziale nicht aus. Rupert Fey
Die Kalkulation und richtige Preisstellung ist ein absolutes Fokus Thema. Zum einen, weil eine gute Marge der Treibstoff in jedem Unternehmen ist. Zum anderen, weil auch in jeder Handelsstufe die Kosten steigen. Selbst wenn der Inhaber sich selbst ausbeuten mag (oder das gewohnt ist): Die Teams und eventuelle Nachfolger haben (zurecht) andere Ansprüche. Auch gegen den Markt günstig einkaufen funktioniert praktisch nicht mehr. Dafür sind die Informationswege zu gut und der Markt generell zu gut informiert. Und freie Mengen, die Gärtner auf „gut Glück“ anbauen, werden immer kleiner. Zu groß auch hier das Risiko, dass der Absatz nicht zu ausreichenden Preisen klappt.
Was kann der Handel vor Ort machen, um in der neuen Realität zu bestehen? In unseren Onlinekurse zur Preisgestaltung stellen wir vielfältige, oft bekannte Methoden vor. Aber nur die ständige Anwendung sorgt für Erfolg. Dabei werden viele Aspekte oft unterschätzt. Hier drei Beispiele:
- Wettbewerber ansehen – oft ist der eigene Eindruck, dass alle anderen günstiger sind schlicht falsch. Diese Erkenntnis gibt Selbstvertrauen und schafft oft noch Luft nach oben.
- Preiserhöhungen über Preisschwellen hinweg – beispielsweise 12,80 statt früher 9,80. Das sorgt oft dafür, dass sich Mengen stark ändern. Das will gut bedacht werden.
- Service Leistungen gut berechnen und getrennt vom Grundpreis darstellen. Das sorgt optisch für bessere Preise, ist gerechter für die Kunden und ermöglicht eine differenzierte Preisstellung. Und zudem sorgt es oft dafür, das nicht mehr so viel der knappen Arbeitszeit für solche Arbeiten aufgewendet werden muss.
Und natürlich bleiben die großen Stellschrauben Sortimente und Qualitäten an sich. Auch kürzere oder kleinere Ware kann qualitativ topp sein. Trotz allem darf der Fachgeschäftscharakter nicht durch minderwertige Qualitäten und/ oder fehlende Frische gefährdet werden.
Aufgrund der Strukturen, kann das Fachgeschäft nicht „billig“ sein. Die richtige Profilierung ist allermeist „Top in Qualität und Service – und der Preis ist auch okay!“ Davon abgesehen ist die konsequente Positionierung im Fachhandel ein Marathon. Ein schnelles hin und her in Qualität und bei Angeboten verwässert jede Strategie. Und wer seine Kreativität auch für kommerzielle Ideen einsetzt, bleibt Gewinner auch in schwierigen Marktphasen.
Rupert Fey, Bargfeld-Stegen, ist Berater in der grünen Branche rund um die Bereiche Markt, Strategie und Kommunikation. In florieren! widmet er sich als “Herr Rat“ gemeinsam mit Jessica Grund-Grube alias „Frau Tat“ Problem- und Fragestellungen der Branche. rfey@beyond-flora.com
© privatSträuße binden wir grundsätzlich erst ab 20 Euro. Bei 10, 15 Euro werden die Blumen nur ein bisschen locker gestaffelt zusammengelegt. Tina Attenberger
Über Preise müssen wir nicht diskutieren. Wir haben an den Schnittblumen auch keine Preise stehen. Nur zu Valentin etc. haben wir Tafeletiketten an den Glasvasen. Aber in der Regel gibt es nur eine Preisliste am Bindetisch. Sträuße binden wir grundsätzlich erst ab 20 Euro. Bei 10, 15 Euro werden die Blumen nur ein bisschen locker gestaffelt zusammengelegt. Wenn wir die Blumen aus den Vasen nehmen und sagen, da kommt noch Grün dazu, das wird dann der und der Preis, sagen die meisten, ach nee, machen sie noch was dazu.
Unsere Kunden kommen wegen unserem speziellen Blüh-auf-Stil zu uns. Wir binden locker, transparent und blumig. Egal wie groß der Strauß sein soll, er wird immer interessant. Bei uns liegt der Fokus auf der Blume, sie soll sich frei bewegen können. Da ist niemand unglücklich oder geht wieder, weil er oder sie findet, dass er oder sie zu wenig fürs Geld bekommt. Dafür sind wir in der Region auch bekannt und das hebt uns von der Konkurrenz ab.
Ich habe gemerkt, dass wenn ich meine Zeit in den Laden investiere, das enorm zur Kundenbindung beiträgt. Wenn ich eine Weile persönlich nicht im Laden stehe, merken die Kunden das. So haben wir auch ohne Eventfokussierung einiges zu tun. Wenn ich überlege, dass bei einer 1.000-Euro-Hochzeit vielleicht 200 Euro übrigbleibt, dann macht das ja auch keinen Spaß mehr. Dann investiere ich lieber meine Zeit in einen einstündigen Workshop in unserer Werkgrube, habe danach mehr Umsatz und bin nahbar für meine Stammkunden – ohne, dass ich eine Besprechung habe und 3.000 Telefonate dazwischen. Das steht in keinem Verhältnis. Deswegen liegt mein Fokus auch nicht darauf möglichst viele Events zu machen. Das kostet nur Nerven, Zeit und Energie. Und wenn der Laden darunter leidet und er aussieht wie Hölle, hat ja auch keiner gewonnen.
Wir haben so coole Kundschaft, die einfach echt viel Geld bei uns ausgibt. Die kommen teilweise aus 100 km Entfernung. Wenn die extra von so weit her kommen, muss der Laden immer top aussehen und wir müssen Zeit für sie haben. Da geht keine Hochzeit von Fremden vor, die nur einen Auftrag bringt! Der Fokus liegt also ganz klar auf meinem Geschäft, um den über 70 % Stammkunden immer etwas bieten zu können. Über die kommen dann auch immer wieder ganz viele neue Kunden über Mund-zu-Mund-Propaganda dazu.
Auch am Sonntag sind wir für unsere Kunden da, dafür haben wir montags geschlossen. Oft komme ich sonntags in nur drei Stunden auf den Tagesumsatz eines Werktags. Viele geben auch schonmal 80 oder 100 Euro aus. Das liegt sicherlich auch an der guten Stimmung. Immer wenn ich sonntags Dienst habe, gibt es auch ganz laute Musik, eine Motown-Session. Alle sind dann super happy und wir haben eine gute Zeit. Da ist es dann auch nicht schlimm, wenn mal 8-9 Kunden auf einmal dastehen. Die haben dann einfach Spaß. Da geht keiner, wenn es mal ein bisschen dauert. Im Gegenteil, es entstehen lockere Gespräche untereinander. Bei uns ist es immer super familiär, deshalb kommen unsere Kunden so gerne. Auch Männer, die dann sagen, boah geiler Blumenladen und es macht Spaß hierherzukommen. Das ist immer ein großes Kompliment.
Immer mehr Betriebe wechseln ganz oder tageweise in den Werkstattmodus zugunsten von Events, die leichter planbar sind und auch mit weniger Personal besser zu bewältigen. Floristmeistern Tina Attenberger verfolgt mit ihrem Blüh auf! in Recklinghausen genau den entgegengesetzten Ansatz und sagt: „Corona hat uns gezeigt, dass wir nicht zwingend auf Events angewiesen sind.“ Für die vielen Stammkunden ist das Team sogar sonntags da, mit unverkennbarer Floristik, Fun-Faktor und Duz-Kultur.
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