Wie entwickelt sich der Blumen- und Pflanzenmarkt?
Normalerweise wäre am 25. Januar 2022 die IPM ESSEN gestartet. Das Who’s who der internationalen Gartenbauindustrie hätte sich in der Messe Essen in den kommenden vier Tagen getroffen, Fachgespräche geführt, Innovationen vorgestellt und kennengelernt, Kontakte gepflegt und Geschäfte abgeschlossen. Leider hat die Corona-Pandemie eine Durchführung der Weltleitmesse des Gartenbaus erneut nicht zugelassen.
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Wo die grüne Branche nach zwei Jahren Pandemie steht, welche Herausforderungen auf sie warten und wo ihre Chancen liegen, beantwortet eine von der IPM ESSEN beauftragte Marktbeschreibung der Agentur CO CONCEPT:Die Pandemie verändert den Pflanzenmarkt. Lag das Marktvolumen nach langen Jahren der Stagnation schon 2020 bei rekordverdächtigen 9,4 Mrd. €, könnte dieser Wert 2021 noch einmal deutlich übertroffen worden sein.
Die Verbraucherausgaben stiegen laut AMI schon 2020 deutlich. Der Gesamtmarkt verzeichnete mit 5,1 % im Vergleich zu 2019 ein noch nie beobachtetes Wachstum. 2021 wird mit einer Steigerung des Marktvolumens zum Vorjahr in Höhe von 9 % gerechnet. Die Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland für Blumen und Pflanzen stiegen von 108 € (2019) auf 113 € (2020) und bis auf 124 € (2021). Viele entdeckten 2020 erstmals ihre Liebe zu Pflanzen für den Garten oder das eigene Heim und sorgten als Erstkunden für Wachstumsschübe. Das Kundenaufkommen im Facheinzelhandel stieg um bis zu 20 %.
Für Stauden, Laubgehölze, grüne Zimmerpflanzen sowie Beet- und Balkonpflanzen gaben die Verbraucher pro Kopf und Segment fast einen Euro mehr aus als in den Jahren zuvor. Auch 2021 ließen sich die Kunden Pflanzen gerne etwas mehr kosten. Je nach Typ und Lage des Geschäfts gab die Kundschaft 2021 noch einmal durchschnittlich bis zu 20 % mehr je Kauf aus als im schon umsatzstarken Jahr 2020. Der Zenit bei den Kundenzahlen wurde 2020 wohl erreicht. Sie konnten 2021 nicht übertroffen werden.
Auch die Sonderverkaufstage liefen 2021 – abgesehen vom Valentinstag während des Lockdowns – sehr gut. Das Angebot an Muttertag kam der hohen Nachfrage nicht hinterher. Nicht wenige Großhändler meldeten Umsatzsteigerungen von 40 %. Nachdem der Blumenfachhandel erst im April bundesweit wieder vollumfänglich öffnen durfte, stiegen die Ausgaben für Schnittblumen sprunghaft um 24 % im Vergleich zum Vorjahr an. Auch die Balkonpflanzensaison 2021 fiel erneut positiv aus.
Nachfrage schlägt sich imGroßhandel nieder
Durch den Lockdown zu Jahresbeginn startete das Jahr im Großhandel mit Blumen und Pflanzen für alle verhalten. Erst mit der schrittweisen, bundeslandabhängigen Öffnung der Verkaufsgeschäfte rund um den Valentinstag kam die gewünschte Dynamik zurück. Eine höhere Nachfrage und gute Preise konnten die schwachen Wochen zu Jahresbeginn kompensieren. Landgard meldete nach dem ersten Quartal 2021 eine Umsatzsteigerung von 21 % im Vergleich zum Vorjahr.
Der Durchschnittspreis für Schnittblumen lag Anfang März 2021 um fast 50 % höher als in der gleichen Woche des Vorjahrs.
Großbritannien überrascht
Allgemein war der Export der Niederlande zu Beginn der Pandemie aufgrund der Lockdown-Zeiten und unterschiedlichen Bestimmungen der EU-Mitgliedsstaaten erheblichen Fluktuationen unterworfen. Insbesondere die Exporte nach Frankreich litten enorm, aber auch in die Vereinigten Staaten und nach Russland. Förderlich zeigten sich Exporte in Länder, in denen die Belieferung der Supermärkte einen großen Anteil ausmacht wie in Großbritannien. Nur in vier der zehn wichtigsten Exportländer konnten die Niederlande 2020 leichte Exportzuwächse verzeichnen. Alle anderen Zielländer entwickelten sich negativ.
Der Gesamtexport der Niederlande legte 2021 enorm zu. Im dritten Quartal 2021 wurde ein Plus von 18 % gegenüber dem 3. Quartal 2019 erreicht. Dabei führt Großbritannien das Ranking an. Die Niederlande exportierten 2021 insgesamt 31 % mehr auf die Insel. Nach Frankreich wurde 20 % mehr exportiert. Die Exportsteigerungen nach Deutschland (8 %) lagen deutlich dahinter.
Wachstumstreiber Supermärkte
Bei den Absatzkanälen im Export der Niederlande entfällt der größte Exportanteil mit 34 % mittlerweile auf Supermärkte. Danach folgen Großhandel (29 %) und Gartencenter (14 %). Blumenfachgeschäfte und Cash & Carry-Märkte machen mit 7 % und 8 % den geringsten Wert aus. Auch 2021 hat der Systemhandel mti den Supermärkten überproportional vom allgemeinen Pflanzenhype profitiert. Immerhin durften die Supermärkte während des ersten Lockdowns als einzige Blumen und Pflanzen verkaufen.
Schon 2020 hat der Systemhandel sowohl bei den Ausgabenanteilen als auch den Mengenanteilen des privaten Verbrauchs von Schnittblumen gewonnen. LEH und Discounter zählten insgesamt 5 %-Punkte mehr. Mittlerweile entfallen 40 % der Ausgabenanteile und 70 % der Mengenanteile auf den Systemhandel, auf den Fachhandel entsprechend 60 % der Ausgabenanteile und 30 % der Mengenanteile. Blumengroßhändler vermuten, dass sich die Verlagerung der Ausgaben und Einkaufsmengen bei Schnittblumen in den Systemhandel weiter verschärfen wird.
Weniger Produzenten und geringere Fläche
Mit 3.120 Zierpflanzenbetrieben im Jahr 2021 gibt es insgesamt 15 % weniger Betriebe als 2017, die auf einer Grundfläche von 6.300 ha (minus 4,8 %) Blumen und Zierpflanzen anbauen. Produktionsschwerpunkt ist unverändert Nordrhein-Westfalen mit 2.900 ha.
Hinsichtlich der angebauten Produkte gibt es drei Auffälligkeiten:
- Stauden sind bei den Freilandpflanzen mittlerweile am wichtigsten und liegen vor Viola und Callunen. Letztere haben in den vergangenen fünf Jahren im Anbau um 22 % abgenommen.
- Der Anbau von Kakteen, Grün- und Blattpflanzen hat um 27 % zugenommen und erreicht damit annähernd wieder den Zenit des Anbauumfangs von 2012.
- Der Anbau von Schnittblumen ist seit 2017 um 10 % gesunken. Die Anbaufläche beträgt heute 2.810 ha.
Personal und Fläche sind begrenzende Faktoren
2021 meldeten einige Vermarktungsorganisationen, dass sie die Bereitstellung und die Logistik der Blumen und Pflanzen aufgrund von Personalmangel nicht mehr gewährleisten konnten. Selbst ein Ausweichen auf Logistikdienstleistungen funktionierte wegen Personalmangel in der vor- und nachgelagerten Kette nicht mehr. Die Stabilität der Lieferketten war also bereits 2021 durch Personalmangel gefährdet. Auf Produktionsebene sieht es ähnlich aus.
Die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen haben sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Noch stärker stiegen in diesem Zeitraum die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen. Kostete 1 ha 2010 durchschnittlich 11.900 €, waren es 2020 bereits 26.800 € je ha.
Nach wie vor ist es schwer, langfristig auskömmliche Preise für Blumen und Pflanzen zu erzielen, auch wenn Handel und Verbraucherschaft in den Jahren 2020 und 2021 deutlich höhere Preise akzeptierten.
Die Preise bei Beet- & Balkonpflanzen im Vergleich zum Vorjahr auf Verbraucherebene sind stabil oder steigend. Preiserhöhungen von 5 % und mehr konnten in weiten Teilen mühelos bei den Verbrauchern durchgesetzt werden.
Preisanpassungen waren 2021 auch in den Endverkaufsbaumschulen möglich. Gerade Solitärpflanzen wurden im Verkaufspreis nach oben korrigiert. Mit einer hochwertigen Präsentation waren vereinzelt Preissteigerungen von 100 % zu beobachten und wurden anstandslos von der Verbraucherschaft bezahlt. Die Preise auf den Blumengroßmärkten lagen 2021 mindestens auf einem ähnlich guten Niveau wie 2020 oder leicht darüber.
Kosten vielfach stärker gestiegen als die Preise
Steigende Logistikkosten (10 bis 20 % höher als im Vorjahr), steigende Heizkosten (Heizöl 50 % teurer als im Vorjahr) und steigende Kosten für Pflanztöpfe (20 % teurer als im Vorjahr) werden nicht von allen Produktionsgärtnereien an die Kundschaft weitergegeben. So reichen die Preiserhöhungen bei Blumen und Pflanzen von durchschnittlich 10 % bei weitem nicht aus, um die gestiegenen Produktionskosten zu decken.
Schon 2020 hatte das Zentrum für Betriebswirtschaft im Gartenbau (ZBG) in seiner Corona-Zwischenbilanz darauf hingewiesen, dass zwar alle Gartenbaubetriebe deutlich mehr Umsatz gemacht hätten, sich dies aber nicht bei allen auf die Gewinne durchgeschlagen habe. Im Gegenteil: Ein Drittel der Gartenbaubetriebe hatten trotz „Umsatz-Explosionen“ einen deutlich geringeren Gewinn als in den Vorjahren. Es ist zu erwarten, dass sich die Situation angesichts der 2021 noch einmal gestiegenen Gestehungskosten verschärfen wird.
Pflanzen und Garten treffen den Puls der Zeit
Grünpflanzen erleben eine Renaissance. Nachhaltigkeit, Upcycling, der Wunsch nach mehr Natur und Lebendigkeit im eigenen Umfeld oder Urban Jungle sind die Treiber des Trends. Insbesondere Grünpflanzen mit ausgeprägt großen Blättern sind von den Kunden gefragt. So stieg der Umsatz mit Monstera im September 2021 um 60 % im Vergleich zu 2020. Auch die Nachfrage nach Raritäten und panaschierten Grünpflanzen nimmt kontinuierlich zu. Die steigende Nachfrage ist nicht nur auf die jüngere Privatkundschaft zurückzuführen, sondern auch auf Firmenkundschaft, die ausgefallene Innenraumbegrünung als Wohlfühlkonzept versteht, um sich als Arbeitgeber im Wettbewerb um Arbeitskräfte zu profilieren.
Das Blumenbüro Holland ließ im August 2021 Konsumenten aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien zwischen 18 und 70 Jahren zu Pflanzen im Homeoffice befragen. Zwei Drittel der Befragten platzieren mindestens ein bis zwei Pflanzen direkt an ihrem Arbeitsplatz. Insbesondere Frauen umgeben sich im Home-Office mit Pflanzen. Sie haben nicht selten bis zu fünf Pflanzen im direkten Umfeld. Interessant ist, dass 32 % der Befragten aus Deutschland sich erst während der Pandemie Pflanzen für das Home-Office gekauft haben.
Initialzündung Corona für einen nachhaltigen Nachfragesog
Anzeichen deuten darauf hin, dass das plötzlich gestiegene Interesse an Grün langfristig nachwirkt. So war in den Sommermonaten 2021 an den Blumengroßmärkten zu beobachten, dass trotz der Rückkehr zu altem Reiseverhalten Blumen und Pflanzen auf einem ähnlichen Niveau nachgefragt wurden wie im Rekordsommer 2020, als die allermeisten nicht reisen durften und es sich im eigenen Garten, Terrasse und Balkon mit Pflanzen schön gemacht haben.
Die deutsche Wirtschaft erholt sich langsam vom coronabedingten Einbruch im Jahr 2020. Für 2022 erwartet die Bundesregierung nun ein Wachstum von 4,1 % statt wie bisher 3,6 %.
Die im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen Preise für Mineralölprodukte und andere energiebasierte Rohstoffe sind für die seit Juli 2021 konstant hohe Inflationsrate verantwortlich. So stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland im November 2021 gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,2 %. Allerdings sollte bei diesem Vergleich die pandemiebedingte Senkung der Mehrwertsteuer von vor einem Jahr und den damit einhergehenden sinkenden Preisen bei vielen Gütern berücksichtigt werden.
Was die Verbraucher auch künftig lieben
Schon 2021 gehörten alle blühstarken Stauden, Beet- und Balkonpflanzen sowie Kräuter, Gemüsepflanzen und Naschgehölze zu den Gewinnern. Auffällig ist, dass vor allem größere Pflanzen nachgefragt werden.
Gartencenter bemerkten 2021, dass Artikel zum Verschenken und für Feiern sehr stark zunahmen. Wenn gefeiert wurde, dann im kleinen Rahmen, aber mit üppigeren Blumen- und Pflanzendekos.
Ebenso hat 2021 der Trend zu pflegleichten Pflanzen erneut zugenommen. Das Thema insektenfreundliche Pflanzen gewann im Zuge der Corona-Pandemie ebenfalls erneut an Fahrt.
Gerade Best- und Silverager-Kunden sind sensibel für Nachhaltigkeit und Bio-Produkte. Der schonende Einsatz natürlicher Ressourcen bei der Produktion von Blumen und Pflanzen gewann 2021 weiter an Bedeutung. Insbesondere Torfreduktion und Plastikreduktion sind ein großes Thema.
Warenverfügbarkeit in 2022 sichergestellt?!
Die Erfahrung 2021 zeigt, dass nicht immer alles verfügbar war und zu leichter Panik am Markt führte. Glücklich, wer feste Anbauverträge oder Lieferverträge hatte. In den letzten Monaten wurde allerdings auch Ware „knapp geredet“. Hinzu kam, dass sich viele Händler aus Nervosität 2021 nicht mehr nur auf ihre Stammlieferanten verließen und plötzlich selbst Anfragen bei verschieden Produzenten gestartet haben. So entstand auf deren Seite der Eindruck, Ware sei enorm knapp. Entsprechend der Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage stiegen die Preise teils drastisch.
Mittlerweile korrigieren einige Lieferanten ihre „überzogenen“ Preislisten aus dem Sommer wieder auf „Normalpreise“ und bewerben die Ware aktiv. Die Situation stellt sich jedoch regional differenziert dar. Während in einigen Regionen der Anteil reservierter Ware für 2022 stark zugenommen hat, liegen in anderen Regionen noch keine festen Reservierungen vor. Das Frühjahr 2022 wird zeigen, welche Taktik besser ist.
Die ökonomische Nachhaltigkeit im Blick behalten
2021 war gekennzeichnet von Rekordmeldungen im Gartenbau: Der Hype von lebendem Grün ist bei der Bevölkerung angekommen und tritt eine nie gekannte Nachfrage los. Gleichzeitig sieht sich der Gartenbau mit gestiegenen Rohstoffpreisen, einer Verknappung von Betriebsmitteln, Personal und Logistikeinheiten konfrontiert. Die Inflation 2021 liegt mit über 5 % so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr.
„In dieser Situation sind Preiserhöhungen bei Blumen und Pflanzen zwingend notwendig und werden auch größtenteils umgesetzt und von der Verbraucherschaft akzeptiert. Trotzdem ist zu beobachten, dass die Kosten im besten Fall nur durchgereicht werden. Zwingend erforderliche Margenzuwächse erfolgen nicht. Insofern wird gerade bei aller Euphorie nur das nächste Level der langfristigen physischen und finanziellen Ausbeutung der Produktionsgärtnereien erreicht. Ein größerer Markt muss mit weniger Mitarbeitenden und höheren Kosten bedient werden“, so die Einschätzung von Andreas Löbke, Autor des Marktberichts und Gartenbauingenieur.
Es bleibe zu hoffen, dass immer mehr Verantwortliche in der Branche auch die ökonomische Nachhaltigkeit für ihren Betrieb erkennen und zukünftig entsprechend kalkulieren. Darüber hinaus sei es jetzt wichtig, den Hype des Grüns bei den Verbrauchern zu festigen und gerade die jüngeren Kunden weiter für die Branche zu begeistern. Ein Zurücklehnen ist nicht möglich, da das Pendel jederzeit auch wieder zurückschlagen kann und wir den Hype dann nur als pandemiebedingten Sondereffekt verbuchen können. „Wenn wir es jetzt schaffen, die jungen Konsumenten nachhaltig für unsere Produkte zu begeistern, dann haben wir es geschafft. Dann wird die Zukunft nicht nur grün, sondern auch rosig!“, lautet das Fazit von Löbke.
Den gesamten Marktbericht IPM Essen finden Sie im PDF.
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