6. BHB-Gartenfachmarktkongress in Potsdam: So kann die Gartenbranche weiter blühen
Ein spannendes und niveauvolles Vortragsprogramm mit 20 Referenten lohnte den Besuch des internationalen
BHB-Gartenfachmarktkongresses in Potsdam. Die Aschewolke über Berlin und die Sperrung des Flughafens zu
Ende des Kongresses sorgte zudem bei einigen Teilnehmern für Spannung, wie sie ihren Heimweg bewältigen
konnten. Nachhaltigkeit, Social Media oder demografischer Wandel prägten die Veranstaltung.
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Langeweile gab es nicht für die
rund 200 Besucher des Kongresses
Ende Mai unter dem
Leitthema „...so blüht der Kunde
auf“. Rund 200 Besucher fanden
den Weg zum Kongress. Etwas
ernüchternd war die Bilanz, dass
nur gut 20 % der Besucher aus
dem Handel kamen. Viele Baumarktketten
hatten keine Abordnung
entsandt. Den reinen
Gartencenterunternehmen und
-filialisten konnten gerade mal
die Abordnung der Firma Kölle
oder – indirekt – die Sagaflor-
Vertreter zugerechnet werden.
Die Schweiz war mit gut zehn
Teilnehmern gut vertreten.
BHB-Präsident Michael
Baumgardt geht davon aus, dass
das Gartensortiment bei den
Baumärkten auch weiterhin an
Bedeutung gewinne. In diesem
Jahr habe der grüne Bereich
bisher in den Bau- und Gartenfachmärkten
um 11 % zugelegt.
Am erfolgreichsten sieht er Unternehmen
mit Multichannelaktivitäten
– gerade der Onlinevertrieb
lege rasch zu, braucht
aber die Nähe zum stationären
Handel. Auch Marktforscher
Klaus-Peter Teipel von den IBH
Consultants in Köln rechnet damit,
dass der Bereich Garten
auch in den nächsten Jahren
weiterhin leicht zulegt, allerdings
unterschiedlich in den
Segmenten und auch immer
wieder wechselnd in den Vertriebslinien.
Grillen gibt weiterhin
den Ton an, was Wachstumsraten
angeht.
Am meisten Zündstoff bot der
Vortrag von Franz-Josef Isensee,
Vorstandsvorsitzender der Sagaflor,
der prägnant das Bild der
Sagaflor zeichnete und gar nicht böse wäre, wenn sich die Baumärkte
mehr um andere Themen
als um den Garten bemühten.
Eine Unterscheidung zwischen
beiden Betriebstypen – auch
wenn es in der Praxis manchmal
anders aussieht – sei: das Gartencenter
„begeistert“, der Baumarkt
„versorgt“. Die Gartencenter
wollten die Führerschaft bei
den Pflanzen. Außerdem steht
der Mensch dort gleich inmitten
der Pflanzen, muss nicht erst
100 m Baumarktsortimente abwandern.
Für ihn entscheidend
in den letzten Jahren: Die Gartencenter
expandieren und es
gibt mehr neue Fachgartencenter
als neue Baumärkte. Ein ernster
Wink ging auch an Lieferanten.
Die Sagaflor akzeptiere
nicht, dass andere früher beliefert
werden oder Aktionen mit
Produkten zu niedrigen Preisen
fahren können.
Dr. Nektarios Bakakis, Geschäftsführer
der Knauber Freizeit
GmbH, sieht in den Mitarbeitern
für das Unternehmen
ein „Unterscheidungsmerkmal
der strategischen Art“. Zur Personalentwicklung
gehöre unter
anderem eine Frauenquote, die
den Frauenanteil an Führungspositionen
deutlich erhöhte.
Eva Barth-Gillhaus sieht den
„Gartenmarkt im Glück“, aber
„die grüne Branche muss sich
neu aufstellen“, meint sie. „Geben
Sie den Wünschen der Kunden
Futter“, empfahl sie. Die
Zukunft heiße nicht, Produkte zu stapeln, sondern Themen liefern.
Warum nicht eine Gummistiefelmodenschau
im Winter
oder Late-Night-Shopping, wie
es in anderen Bereichen erfolgreich
getan wird?
Dr. Christoph Theler für die
Coop Schweiz und Dr. Stefan
Odermatt für Obi/Migros
Schweiz gingen auf die firmeneigenen
Maßnahmen zu Nachhaltigkeit
und Ökolabels ein.
Immer wieder die Themen,
wie gehe ich mit Twitter, Facebook
& Co. um oder den Anforderungen,
die der demografische
Wandel bringt. „Die demografische
Uhr tickt gegen die
Großfläche“, war ein Argument
von Dr. Hanne Meyer-Hentschel,
Meyer-Hentschel Institut. Ältere
Menschen brauchen kürzere
Wege, leichtere Gebinde, einfachere
Orientierung, Sitzgelegenheiten
oder auch eine andere
Art der Warenpräsentation.
Hubertus von Lobenstein,
Geschäftsführer von lobensteinltd.,
machte einmal mehr deutlich:
„Die Social Media sind gekommen,
um zu bleiben.“ Alleine
bei Garten-Blogs finden sich 33
Mio. Ergebnisse. In Zukunft heißt
es Communities statt nur Fans.
Beim amerikanischen Baumarktführer
Home Depot beschäftigen
sich mittlerweile alleine 25 sorgsam
ausgesuchte Mitarbeiter mit
dem Managen der Communities.
In Zukunft gestalten Kunden die
Marken mit, was völlig neue
Denk- und Handlungsweisen erfordere.
Auch der Siegeszug der
Smartphones lasse sich nicht
aufhalten. 40 % aller Smartphonebesitzer
vergleichen heute
schon Preise beim Einkauf auf
dem Handy.
Google insights for search ist
ein neues Tool, das Michael
Burk, Industry Head Retail,
Google Germany GmbH, vorstellte.
Damit kann ganz genau
eruiert werden, wann die Kunden
beispielsweise mehr nach
Tulpen oder eher nach Lavendel
verlangen. Mit diesem Wissen
kann beispielsweise ein Händler
sehr gezielt Promotions machen.
Das geht für „jedes Land“
der Welt, aber auch auf regionaler
Ebene. So kann man sehen,
dass Saarländer mehr Möbel,
die Bewohner in Mecklenburg-
Vorpommern aber mehr Rasenmäher
kaufen und auch nachvollziehen,
wie sich die Nachfrage
entwickelt. In Deutschland
werden je Sekunde 60 Suchanfragen
abgeschickt für Haus und
Garten. Man kann dabei sehen,
welche Sprache die Kunden
sprechen, welche Begriffe sie
verwenden und darauf auch die
Werbung aufbauen.
Auf alle Fälle, es bleibt spannend.
Eine solche Fülle an inspirierenden
Vorträgen gibt es
selten innerhalb von eineinhalb
Tagen. Schade, dass es so wenige
Handelsinvolvierte wahrgenommen
haben. dgh
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