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Mathys fragt …

Nah am Unternehmen, den Kunden und den Mitarbeitenden

Oliver Mathys im Gespräch mit Theresa Schleicher – über die Besonderheiten der grünen Branche und die Herausforderungen, auf die sich Unternehmerinnen und Unternehmer einstellen sollten.

von Oliver Mathys erschienen am 28.06.2024
Theresa Schleicher ist Handels-Zukunftsforscherin und eine der führenden Retail- und Trendexperten im deutschsprachigen Raum. theresaschleicher.de © Oliver Mathys
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Theresa, unsere Wege kreuzten sich in Zusammenhang mit der spoga+gafa und den POS Green Solution Islands - bei welchen du auch mit einer Sonderausstellung und deinem passioniertem Beitrag zahlreiche Besucher begeistert hast. Für alle diejenigen, die dich nicht persönlich kennen - stelle dich doch bitte kurz vor. Vor kurzem wurde ich als feingeistige Forscherin bezeichnet. Das fand ich ganz schön. Klassisch vorgestellt: Ich bin Zukunftsforscherin für die Zukunft des Handels, und bringe seit 2012 unter anderem im Zukunftsinstitut die zentralen Trends für den Einzelhandel heraus und darf mit einigen netten Menschen im Handel, wie in der Politik zur Zukunft Rede und Antwort stehen. Mein Nährboden und meine Historie liegt unter anderem in der Beratung, als ehemalige Geschäftsführerin einer großen Beratungsgruppe in Deutschland. Du hast bereits mit vielen Akteuren auf der Großfläche gearbeitet, und triffst auch auf die Fachgartencenter auf der Messe. Wo siehst du von Mentalität und in den Reaktionen dieser beiden Absatzkanäle der grünen Branche die größten Unterschiede? Natürlich ist in der klassischen Spezifizierung und dem Angebot in der Breite immer ein Unterschied, sowohl in der Kundschaft, als auch im eigenen Selbstverständnis. Aber das würde jetzt jeder Vertreter in den jeweiligen Branchen für sich anders beantworten.
Das schöne an der grünen Branche ist die tiefe Leidenschaft für ihre Sortimente. Theresa Schleicher
Lass es mich so sagen: Das, was ich an der grünen Branche sehr schön finde, ist die tiefe Leidenschaft für ihre Sortimente. Und das Verständnis der Mitarbeitenden, die aus ihrer Fachkompetenz als Gärtner inhaltlich anders beraten, als es die Mitarbeitenden auf der Großfläche machen. Auch am POS kann man als Fachgartencenter natürlich viel stärker in die Erlebniswelten der Natur und des „Grünen“ eintauchen. Gleichzeitig bietet natürlich die Vielfalt der unterschiedlichsten DIY Sortimente und die teilweise mehr männliche Zielgruppe, die Möglichkeit andere Angebote und Aktionen zu bespielen. Aber manche Zukunftsherausforderungen bleiben auch gleich: die Inflation, die Herausforderungen rund um die fehlenden Hausbau (und Garten)-Projekte, der Preisdruck, den wir teilweise selbst fördern, wie die Anstrengungen und Chancen in der Digitalisierung. Ich glaube bei einem Punkt sind wir uns sehr einig – die Zukunft bringt starke Veränderungen und jeder Unternehmer muss sich auf den schnellen Wechsel einstellen – also der Plan B sollte immer bereit liegen. Welche drei Themen sind es Deiner Meinung nach, die ein Unternehmer der grünen Branche immer mit Lösungsansatz in seiner Schublade liegen haben sollte? Wenn wir in der aktuellen Zeit einmal ein bisschen weiter rauszoomen, merken wir, dass die Welt sich gar nicht so schnell verändert, doch, dass sie wahnsinnig komplex ist. Tatsächlich ist all das, was passiert sehr logisch und hat sich über die letzten 50 Jahre nach und nach aufgebaut. Wenn wir ganz nah rangehen, an die Entwicklungen merken wir, wie sich Spreu vom Weizen trennt bei all den Hypes und Krisenthemen. Drei Themen, die dementsprechend auf dem Tisch und immer in der Schublade sein sollten, sind die Fragen: 1. Bin ich nah genug dran, an meinem Unternehmen: Weiß ich wer ich bin und wofür ich stehe?  2. Bin ich nahe genug dran an meinen Kunden (und potenziellen Kunden) und weiß, was eben auch nicht funktioniert bei all dem, was postuliert wird? 3. Bin ich nah genug dran an meinen Mitarbeitenden, denn jede Veränderung, die kommt, wird leichter zu bewerkstelligen sein, wenn ich motivierte Menschen habe, die auch bereit sind sich neues Wissen anzueignen , um gemeinsam das Unternehmen weiter zu gestalten.
Die Arbeit wird sein, die Menschen mitzunehmen, auf dem Weg, dass Produkte wieder etwas wert sind, dass da drin Leidenschaft und Handwerk steckt – etwas was im Handel mit vielen Billigaktionen besonders in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten ist. Theresa Schleicher
Neulich erzähltest du mir, dass man in den Unternehmen gut auf 20 % der Waren verzichten könne, worauf ich entgegnete, dass es von mir aus auch 30 % weniger Produktvielfalt sein könne. Erkläre doch bitte mal kurz warum ist eine Vorauswahl so wichtig für die jeweiligen Kunden. Tatsächlich kam der Wunsch nach „20 % weniger“ direkt von den Menschen in der Dachregion, die gesagt haben, dass das Zukunftsfähigste im Handel bis 2030 erstmal heißt: 20 % weniger von heute. Wir haben über die letzten Jahrzehnte Wettbewerbs-getrieben extrem viele Produkte in unser Angebot aufgenommen, die mittlerweile relativ austauschbar sind und die unter dem Dachmantel der Vielfalt irgendwann eher irrelevant wurden. Und 20 % ist, wenn man sich einige Sortimente anschaut, eigentlich gar nicht so viel – es lässt Raum sowohl finanziell wie aber auch zeitlich sich auf 80 % zu konzentrieren und daraus daraus zeitgeistige, wertige, nachhaltige und ästhetisch ansprechende Produkte zu entwickeln. Hier werden auch ganz neue Marken eine Rolle spielen können. Es geht also nicht um Verzicht. Die Arbeit wird sein, die Menschen mitzunehmen, auf dem Weg, dass Produkte wieder etwas wert sind, dass da drin Leidenschaft und Handwerk steckt – etwas was im Handel mit vielen Billigaktionen, und Wettbewerb von allen Seiten besonders in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten ist. Dementsprechend fällt es Kunden schwer, nicht nur in Aktionen zu denken. In den größeren Fachmärkten ist das ein bisschen weniger zu spüren, als auf der Großfläche. Aber es ist ein zentraler Hebel sich zu fokussieren, neue (bessere) Produkte, beispielsweise regenerative Sortimente zu entwickeln und in der Wertschätzung für das, was man macht, ein neues Wachstum in der Breite zu fairen, günstigen – aber nicht ramschigen – Preisen zu bekommen. Und zu guter Letzt – wer bist du als Gartenmensch eigentlich privat – Balkon, Garten oder eher der Pflanzen-Influencer mit Urban Jungle im Zimmer – und was ist deine Lieblingspflanze? Ruhe finde ich neben meinen Orangenbäumchen auf meiner Berliner Dachterrasse. Vielen Dank für das offene Gespräch!
Autor:in
Oliver A. Mathys
begleitet „DEGA GRÜNER MARKT“ seid 2007 als Kolumnist. Der Gärtner und Floristmeister war im Export in den Niederlanden tätig und ist als Betriebsconsultant europaweit unterwegs. Er befragt an dieser Stelle Kollegen zur Situation und Zukunft der Branche.
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