Leidenschaft statt Sparschranke
Ein bisschen mehr Demut vor dem Produkt und etwas mehr Achtung vor der ganzen Kette – damit am Ende auch jeder genug verdient, um das Beste leisten zu können. Das fordert Rupert Fey in seiner aktuellen Kolumne.
von Rupert Fey, Bargfeld-Stegen erschienen am 14.07.2025Es klingt hart, aber manchmal habe ich das Gefühl: Wir haben in unserer Branche verlernt, uns wirklich in ein Produkt zu verlieben. Die Begeisterung für das beste Ergebnis, für die Sorte mit dem intensivsten Duft, dem schönsten Wuchs oder dem längsten Leben – warum gelingt uns das nicht konsequenter bei Pflanzen und Floristik?
Ja, wir alle wissen, dass Margen, Effizienz und Lagerhaltung nicht verhandelbar sind. Aber zu welchem Preis? Wer immer nur auf den letzten Cent optimiert, sorgt dafür, dass am Ende nicht nur Ware verflacht, sondern auch das Einkaufserlebnis. Die schönste Aprikose, der aromatischste Rosmarin, die kräftigste Tomatenpflanze – diese Geschichten schreiben sich nicht auf der letzten Preisschiene. Sie entstehen durch Leidenschaft, Neugier, Mut zur Qualität und den Willen, Kunden spürbar zu begeistern.
Schauen wir nach Frankreich oder Italien: Dort wird kein Kompromiss gemacht, wenn es um Geschmack und Reifegrad geht. Warum erzählen wir in der Pflanzenwelt nicht genauso offensiv, was die beste Qualität wirklich ausmacht? Stattdessen pressen wir oft noch ein paar Reihen mehr in den Container, stauchen die Pflanzen enger, sparen ein paar Tage Kulturzeit oder verzichten auf aufwendige Sortierungen – alles, um ein paar Prozent günstiger zu kalkulieren. Das Ergebnis sind Pflanzen, die beim Kunden zu früh schlapp machen oder nie ihr Potenzial entfalten.
Diese Spirale gefährdet das Vertrauen in unsere Produkte. Wir müssen uns fragen: Wollen wir wirklich weiter nur über Eckpreise diskutieren, oder wollen wir der Branche den Stolz auf exzellente Qualität zurückgeben? Wer nur nach dem billigsten Anbieter schaut, wird auch nur Kundschaft anziehen, die keinen Wert auf nachhaltigen Mehrwert legt. Dabei brauchen wir genau jetzt wieder mehr Substanz, mehr Begeisterung und mehr Differenzierung.
Der Schlüssel liegt in der Haltung:
- Das beste Produkt zuerst – nicht das billigste. Qualität muss wieder der Ausgangspunkt sein, nicht das Zugeständnis am Ende der Kalkulation.
- Die Geschichte hinter der Ware erzählen – wer, wo und wie produziert wurde. Emotion ersetzt keinen Rabatt, aber sie schafft Loyalität.
- Sortimente mutig kuratieren – nicht alles für alle, sondern klare Linien und Schwerpunkte, die ein Profil schaffen.
- Mit der Kundschaft über Werte sprechen – nicht nur über den Preis.
Natürlich kenne ich die Zwänge der Produktion und der Rentabilität. Ich predige das auch immer und immer wieder, weil es zur Realität gehört. Aber wenn wir das Produkt aus dem Mittelpunkt verlieren, werden wir austauschbarer. Am Ende gewinnt dann der, der am knappsten an die geforderten Qualitäten heran produziert – egal, ob das dem Kunden oder der Branche langfristig guttut.
Ich wünsche mir, dass wir uns gemeinsam daran erinnern, welche unfassbare Wertigkeit in unseren Pflanzen steckt – und dass wir das auch selbstbewusst transportieren. Viele Produkte sind ein, zwei, drei, manchmal vier Jahre alt, wenn ich an Orchideen oder Rhododendron denke – vom Vorprodukt bis zum verkaufsfertigen Artikel. Und am Ende werden sie oft zu günstig verkauft. Ein bisschen mehr Demut vor dem Produkt, ein wenig mehr Achtung vor der ganzen Kette – damit am Ende auch jeder genug verdient, um das Beste leisten zu können. Das ist kein Luxus, sondern essenziell für den Fortbestand einer gesunden Branche.
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