Evolution gibt’s auch im Handel
Gerade vor Weihnachten war es wieder sehr lebendig – mein innerfamiliäres Gefecht. Bei jeder Kaufaktion bekomme ich von meiner Frau erklärt, dass das, was bei Otto, Mediamarkt & Co. nicht funktioniert oder mit langen Wartezeiten verbunden ist, bei dem Konzern mit A am nächsten Tag geliefert wird.
von Tjards Wendebourg erschienen am 23.12.2024Den Fachhandel hat sie nach zahlreichen Fehlschlägen praktisch aufgegeben. Der kommt nur noch bei gelegentlichen Impulskäufen zum Zuge. Das schlechte Gewissen gegenüber den Strukturen vor Ort ist noch da – aber wird mithilfe der negativen Erfahrungen beiseite gewischt. Als Fürsprecher stationärer Strukturen und kleinteiliger Handelsangebote steht man auf immer verlorenerem Posten: Wie soll man den Leuten den kommenden Verlust erklären, wenn die, die verloren zu gehen drohen, selbst so wenig gegen den Verlust tun.
Ich saß unlängst einem Grafiker gegenüber, der mir als Rest und Außenposten einer großen Druckerei sein Leid klagte, dass Anbieter wie Flyer-Alarm die Preise kaputtmachen, weil sie die Menschen einsparen. Meine Frage, ob er mir denn selbst so etwas anbieten könne wie Fotobuch.de – also eine Online-Lösung zum Selbstgestalten – sagte er: Nein, er würde nur fertige Druckdaten entgegennehmen. In einer Zeit digitaler Transformation nur zu jammern, statt eine eigene Strategie zu entwickeln, ist fatal. Man kann den Anbietern von Plastikeimern auch schlecht vorwerfen, sie hätten die KorbflechterInnen verdrängt.
Nun kann, zurück auf den Handel kommend, nicht jeder auf Online-Riese machen und das eigene Geschäft zum Premium-Versandhändler entwickeln. Alleine es zu versuchen, wäre schon unsinnig. Das ist aber kein Grund, Trübsal zu blasen. Wer nicht schnell sein kann, sollte gut und liebenswert sein. Denn unsere Spezialität sollte ja sein, die Menschen vor Ort emotional zu binden, als Mensch für Menschen da zu sein und mithilfe von Kompetenz den Mehrwert des Einkaufs bei uns zu vermitteln. Wenn das dann nicht funktioniert, haben wir natürlich ein Problem.
Und jetzt kommt wieder meine Frau ins Spiel. Ihre Erfahrungen mit dem Versandriesen aus Seattle sind dermaßen positiv, dass ihr schlechtes Gewissen sich gar nicht mehr melden will: freundliche, geduldige Menschen, die jede Reklamation zum Wohl des Kunden ausführen. Ich muss dann nicht mehr fragen, auf wessen Kosten das geht. Die Frage kommt nicht mehr an. Ich muss nur für mich rekapitulieren, dass wir noch viel lernen müssen, wenn wir heil im Morgen ankommen wollen.
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