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Der Himmel ist rosa

Wenn man mit Handelstreibenden spricht, so hört man oft den Satz „Die Kunden werden immer anspruchsvoller.“ Das ist Euphemismus und bedeutet: „Die Vorstellungen der Kunden werden immer absurder.“ Das hört sich ein bisschen an wie „die Jugend von heute“, hat aber sehr viel mehr Hintergrund.

von Tjards Wendebourg erschienen am 06.11.2023
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© Tjards Wendebourg

Denn die Erklärung dazu ist ziemlich einfach: Durch die zunehmend fehlende Sozialisation mit natürlichen Abläufen und die ständige Konfrontation mit verfälschten Inhalten in den sozialen Medien entwickeln viele Menschen eine von der Realität abweichende Vorstellung. Wie dramatisch dieser Prozess bereits vorangeschritten ist, haben wir während Corona gesehen. Da waren für erschreckend viele Menschen absurde Sachverhalte plötzlich glaubwürdiger als das (für uns) Naheliegende.

Weshalb sollte also das, was gesamtgesellschaftlich bereits deutlich messbar ist, am POS vorübergehen? Das tut es nicht. Die Frage ist vielmehr, wie geht man damit um. Denn vieles spricht dafür, dass der Prozess sich selber füttert und die nachweislich geringer werdende Aufmerksamkeitsspanne dazu führt, dass sich komplexe Erklärungen kaum noch kommunizieren lassen. Auch das ist gesellschaftlich deutlich nachweisbar: durch die Existenz von TikTok alleine, aber auch durch Marketing- und Wahlaussagen. Mehr als fünf Worte sind kaum noch drin. Die Supersimplifizierung ersetzt die Kundeninformation. Wie gering das Interesse ist, beweist jeder Beipackzettel: Es steht zwar (wie vom Gesetzgeber gefordert) alles drin, aber es ist so klein gedruckt, dass sich garantiert niemand die Mühe macht, es abzufotografieren und die Schrift anschließend auf lesbare Größe hochzuziehen. Es sei denn, er oder sie haben ein Problem, dessen Lösung sie dort vermuten.

Aber zurück zum Umgang mit dem Problem. Es macht keinen Sinn, Absurditäten dadurch zu erhöhen, dass man ihnen Futter gibt, indem man sie zur Realität erhebt. Zuerst einmal braucht es das gemeinsame Bewusstsein in der Mitarbeiterschaft, dass wir diese Entwicklungen haben und darauf angemessen reagieren müssen. Das Zweite ist: Humor hilft, jedem Wahnsinn die Spitze zu nehmen – wohlmeinender, ernstnehmender Humor selbstverständlich. Als Drittes wird die Kompetenzkarte gespielt: Freundlich gibt es für jeden Sachverhalt eine kurze, prägnante fachliche Einordnung. Das funktioniert am besten, wenn die Absurditäten gesammelt, gemeinsam besprochen und Kontermöglichkeiten abgestimmt werden. Je besser es gelingt, der Absurdität mit Kompetenz zu begegnen, ohne dabei die Kundin oder den Kunden zu düpieren, desto größer der Erfolg. Gehen diese am Ende mit dem Gefühl nach Hause, etwas gelernt zu haben und trotzdem ernst genommen worden zu sein, wirkt das wertschätzend und wertschöpfend.

Wenn also der nächste Kunde kommt, um die gelben Herbstblätter eines im April grün gekauften Gehölzes zu reklamieren, nehmen Sie es mit Humor und Freundlichkeit.

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