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TJARDS WENDEBOURG

Daraus wird zwei Schuh

Eigentlich wollte ich nur meine Frau vom Schuhekaufen abholen. Aber als ich das Trekking-Fachgeschäft mit dem vielsagenden Namen "Alpenstrand" eine Stunde später wieder verlassen hatte, war ich selbst im Besitz neuer Wanderschuhe einer einschlägigen Hochpreismarke. Was war passiert? Denn eigentlich bin ich in Sachen Werbebotschaften gar nicht so einfach zu erreichen; und um ehrlich zu sein - schon gar nicht für Wanderschuhe. Mehrere Hundert Euro für Trekkingkram auszugeben, ist für mich eine Attitüde der Urban Hipster.
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Volker Michael
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Was mich überzeugt hat, war die Kompetenz der Verkäuferin. Mit ungeheurer Präsenz reduzierte sie das Angebot auf das für mich ideale Paar, moderierte den Verkaufsprozess mal mit verständnisvoller Milde, mal mit mütterlicher Strenge, brachte Verständnis für meinen Wunsch auf, den Handel auf den nötigsten Zeitraum zu begrenzen (Sie wissen schon: Männer!) und belohnte den Umsatz am Ende mit einem guten Schnaps nach freier Wahl. Zwischendurch bahnte die Dame noch zwei andere Verkäufe an, ohne das Gefühl zu vermitteln, sie wäre mir gegenüber dadurch in Eile. Wow, dachte ich, das ist ein Verkaufserlebnis. Kein schmerzhaftes Trennen von Sauerverdientem, sondern Zurückführen von Einnahmen in den Wirtschaftskreislauf!

Für den Wert zweier Wanderschuhe muss ein Mütterchen lange Geranien verkaufen, würden Sie in Abwandlung eines alten Sprichworts vielleicht jetzt entgegnen. Aber, die Wahrheit ist: Wenn Sie oder Ihre Mitarbeiter Ihre Geranien so kennen und so wertschätzen, wie diese Frau ihre Schuhe, wenn Sie so viele Geschichten über das Drumherum, die Zusammenhänge und die Hintergründe erzählen können, können Sie jedes Produkt in jeder Preisklasse verkaufen. Das habe ich bei den Schuhen wieder gemerkt, wie überzeugend es wirkt, wenn jemand sich so tief mit der Produktwelt und dem Nutzungszyklus auseinandersetzt, dass er über jeden Zweifel erhaben ist.

Alleine die Wirklichkeit ist anders. Wir haben zu viel beliebige Ware, über die wir viel zu wenig wissen und deren Halbwertszeit schon erreicht ist, wenn sie beim Produzenten bestellt ist. Wir haben viel zu wenig Menschen, die in der Lage und willens sind, sich mit dem Sortiment so auseinanderzusetzen, dass sie Kunden mit einem (scheinbar) maßgeschneiderten Angebot glücklich machen können. Wir brauchen Geschichten. Wir brauchen Menschen, die sie erzählen können. Wir brauchen Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich dieser Erkenntnis gewiss sind und alles dafür tun, in diese Menschen zu investieren.

Wenn etwas in Zukunft den Unterschied macht, dann ist es die Fähigkeit echt und kompetent zu sein. Um Menschen zu finden, die diesem Anspruch gerecht werden, darf uns am Ende keine Mühe zu teuer sein. Im ureigensten Interesse.

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