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Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan

Lebewohl – die Kunst des Abschieds

In einer sich wandelnden Trauerkultur gewinnen individuelle Rituale und florale Gestaltung zunehmend an Bedeutung. Blumen erzählen vom Loslassen, erinnern an das Leben und schaffen stille Räume des Abschieds. Ein Beitrag zur Arte-Serie „Im Rausch der Blumen“, Teil 4: „Von Trauerschmuck und Schönheit“ von Nicola Graef, Kim Hess und Lena Scheidgen.

von Jutta Harms erschienen am 10.07.2025
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Die Kultur des Trauerns hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt, doch in den letzten zwei Jahrzehnten erlebt die Bestattungskultur radikale Neuerungen. Während traditionelle Rituale lange den Abschied prägten, entstehen heute individuelle Abschiedsformen – etwa Almwiesen- oder Waldbestattungen – die den persönlichen Trauergedanken Raum geben. Die Arte-Serie „Im Rausch der Blumen“ von Nicola Graef, Kim Hess und Lena Scheidgen, Teil 4 „Von Trauerschmuck und Schönheit“, beleuchtet diese Entwicklungen eindrucksvoll. Dabei wird nicht nur die Ästhetik von Trauerwerkstücken, sondern auch deren Rolle als Schnittstelle zwischen professioneller Bestattungskunst und der emotionalen Verarbeitung des Abschieds thematisiert.

Gemeinsam gestalten – mit Kunst und Handwerk

Eine wertvolle Begegnung im Vorfeld der Dreharbeiten war der Besuch bei Lydia Gastroph und ihrem Unternehmen „weiss – über den Tod hinaus – Bestattungen und Begräbniskunst“. Lydia Gastroph tritt für eine zeitgemäße Trauerkultur ein, die zugleich auch Lebenskultur sein soll. Gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern entwirft sie Särge und Urnen auf höchstem künstlerischem Niveau. Ihre Offenheit für den Dialog mit jungen Menschen und ihre gestalterische Haltung verbindet uns in der Auseinandersetzung mit der Ästhetik der letzten Dinge.

Raum aus Licht und als stille Zeugen

Ein besonderer Drehort war die spätgotische Kirche St. Georg in Freising. Der sakrale Raum, dessen Altar durch eine goldfarbene Lamellenwand aus Tombak abgeschlossen wird, bietet mit seiner Lichtdurchlässigkeit eine einzigartige Atmosphäre. Das Spiel des Lichts verändert den Raum im Tagesverlauf und taucht die floralen Inszenierungen in eine würdevolle Stille.

Verbindungen, die bleiben

Unser Leben ist untrennbar mit dem anderer Menschen verwoben. Wege kreuzen sich, manche begleiten uns lange, eng verschlungen, andere nur für einen Moment. Doch auch Gedanken, geteilte Erinnerungen und gemeinsam verbrachte Zeit schaffen tiefe Verbundenheit – oft über das Sichtbare hinaus. Das Trauerwerkstück von Hyejin Son trägt diesen Gedanken in sich. In Korea symbolisieren Fäden ein langes Leben. So könnte dieses Werk auch als Geste für ein erfülltes, langes Dasein gelesen werden – ein letzter Gruß, getragen von Naturkostbarkeiten und einem Hauch von Gold, der alles sanft umhüllt.

Blumen als Sprache des Abschieds

Seit jeher begleiten Blumen den Menschen in Momenten der Trauer. Im viktorianischen Zeitalter entstand die sogenannte „Floriographie“ – eine Blumensprache, die Gefühle und Gedanken jenseits der Worte transportieren sollte. Doch die Blumensprache blieb ambivalent. Die Hoffnung auf eine universelle Symbolik erfüllte sich nie vollständig – zu vielschichtig waren Bedeutung und Interpretation. Dennoch entwickelte sich ein reiches Repertoire floraler Ausdrucksmöglichkeiten.

Auch in der Trauerkultur des 19. Jahrhunderts hatte die Blume eine große Bedeutung. Neben der klassischen weißen Lilie, die Reinheit, Unschuld und den Frieden der Seele im Jenseits verkörpert, drücken auch sehr dunkle Blumen Trauer und Verlust aus. Tiefschwarze Blumen waren, wie heute, selten bis gar nicht verfügbar, da es in der Natur keine schwarzen Blumen gibt. Stattdessen wurden dunkelviolette oder sehr dunkle Blumen als Zeichen für Trauer und Tod genutzt.

Im viktorianischen England wurde Trauer zu einer kulturell bedeutsamen Angelegenheit, die weit über den einfachen Ausdruck von Kummer hinausging. Besonders Frauen fanden Wege, ihre Betrübnis festzuhalten, indem sie Tränen in kunstvoll gestalteten Fläschchen oder Kästchen, oft verziert mit schwarzen Edelsteinen, sammelten. Trauer galt als zentraler Bestandteil des Lebens, und die Vorstellung, dass niemand Tränen für Verstorbene vergießen würde, war undenkbar.

„Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.“ Aus dem Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff

Orte, die Trost spenden

Ob Wald, Kapelle oder Kirchenraum – Abschied braucht einen Ort. Die kleine Kapelle „Chapel of Mary’s Mantle“ von Kiki Smith am Diözesanmuseum Freising etwa bietet einen solchen geschützten Ort. Räume, die einladen, sich in geborgener Atmosphäre zu verabschieden und sich der Trauer zu nähern – leise, achtsam, individuell.

Ein zartes Tuch der Erinnerung

Vergissmeinnicht stehen weltweit für liebevolles Gedenken. Wie ein schützendes Tuch legt sich diese florale Decke über den Moment des Abschieds – sanft, tröstlich, verbindend. In einigen Tagen werden die Vergissmeinnicht langsam verblassen und zu einem violetten Schimmer anstimmen. Das florale Werk kann in einem gemeinsamen Ritual mit Angehörigen entstehen – stilles Tun, in dem Gedanken an den Verstorbenen geteilt werden.

Erinnerungsorte unter freiem Himmel

Gärten wie der Staudensichtungsgarten Weihenstephan bieten mit ihrer Vielfalt an Blüten und Texturen nicht nur ästhetische Fülle, sondern auch innere Ruhe. Wo Urnenbestattungen im eigenen Garten möglich sind – wie etwa in Bremen – entstehen persönliche Trauerräume im Einklang mit der Natur.

Im Wald finden die meisten Menschen Frieden und Ruhe. Wald bedeutet für uns vor allem eines: Er ist der Inbegriff von Natur. Immer mehr Menschen wünschen sich eine letzte Ruhestätte in einem Friedwald oder Ruheforst. Ein besonderer Reiz an Trauerwerkstücken für den Wald liegt darin, sie an die Umgebung anzupassen. Sie wirken wie vergängliche Zeichen, die den Ort der Trauer markieren.

Rituale mit Blumen

Trauer braucht Raum und Zeit und geht immer einen individuellen Weg. Das Unterstützen einschneidender Lebensübergänge mit entsprechenden Ritualen kann heilsam sein und dabei helfen, mit den vielfältigen Herausforderungen besser umzugehen. Blumen sind dabei einzigartig, denn Blumen binden Beziehungen und lösen vom Leben, auch sie sind vergänglich.

Autor:in
Jutta Harms
ist Absolventin der Staatlichen Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan und studierte an der Freien Akademie München Kulturpädagogik. Seit 2006 ist sie Fachlehrerin, seit 2022 Fachbetreuerin für künstlerisch-gestalterische und designorientierte Fächer in Weihenstephan, außerdem Dozentin an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Im Mai 2015 veröffentlichte sie mit Susanne Sommer das Buch „Lebewohl – Trauerrituale mit Blumen“. Kontakt: jutta.harms@hswt.de
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