Das Kind, das später fehlt
Wer sich einmal die Mühe macht, Deutschlands Neubaugebiete zu durchstreifen, ist – empathische Veranlagung vorausgesetzt – stark depressionsgefährdet. Man bekommt dort das Gefühl, als wollte die Generation 35plus dem allgemeinen Rückzug der Natur im Privaten noch ein persönliches Denkmal setzen.
von Tjards Wendebourg erschienen am 26.05.2025Überdimensionierte Auffahrten für überdimensionierte Autos bilden den Vordergrund für abwaschbare Häuser. Zwar lässt oft deplatzierter Kitsch noch ein Lebenszeichen der Bewohnenden erkennen – über weite Strecken dominieren aber Sterilität und Tristesse.
Natürlich ist das eine stark pointierte Sicht auf die Bau- und Garten(un)kultur. Aber im Querschnitt überwiegen die Versuche, sich durch Reduktion auf das Minimum vor der Unberechenbarkeit der Natur zu schützen. Wer viel Zeit seines Lebens in Fitnesscentern verbringt, möchte nicht vom eigenen Grundstück zu konkurrierenden Aktivitäten gezwungen werden. Und je weniger Naturerfahrungen und Pflanzenwissen in der Sozialisation vorkamen, desto größer ist die Angst vor unkontrollierbarem Wachstum.
Was heißt das aber in Zukunft für grünen Handel und Dienstleistungen rund um den Garten, wenn bis auf ein paar verloren wirkende Ausrufezeichen gestalterischer Art lediglich die Produkte des Baustoffhandels die Flächen füllen: Betonwerksteine, Schüttgüter, Steinzeugfliesen, WPC-Dielen, L-Steine und Stabmatten. Keine rosigen Aussichten, fürchte ich. Denn spätestens, wenn die klassische Gartencenter-Kundin den Weg ins Pflegeheim antritt, droht der Umsatz auf ewig verlorenzugehen.
Die Landschaftsarchitektur hat 2022 zusammen mit Carlsen das Pixi-Buch der „Landschaftsarchitektin Lena“ konzipiert. Der GaLaBau-Verband Baden-Württemberg hatte schon 2021 großen Erfolg mit „Lotte und Oskar bauen einen Traumgarten“, von dem es mittlerweile mit „Lotte und Oskar bauen eine grüne Stadt“ einen analogen Zwilling gibt. Gemeinsam ist den drei Büchlein, dass das zuvor skizzierte Szenario auch die Verbände umtreibt und sie zu dem richtigen Schluss gekommen sind, dass der Kampf um die Kunden und Mitarbeitenden von morgen schon heute im Kindergarten entschieden wird. Denn wer im Kindesalter nicht mehr mit Garten (und damit ist nicht diese wischfeste Gartenimitation gemeint, die als Immobilienverlängerung an viele zeitgenössische Einfamilienhäuser angrenzt) in Berührung kommt, wird die Sehnsucht danach wahrscheinlich nie artikulieren können.
Wenn es also Gartencenterkunden/-innen von morgen geben soll, dann müssen wir jetzt anfangen, in Öffentlichkeitsarbeit zu investieren, und zwar am besten jeder vor seiner Haustür und die Verbände als übergeordnete Akteure. Könnte sein, dass wir bereits eine halbe Generation verloren haben, die das Geld lieber in Autos, Reisen, Online shoppen und Fitnessstudios gesteckt hat. Der Verlust ist kaum zu beziffern. Von den gesellschaftlichen Auswirkungen ganz zu schweigen. Oder wären Sie nicht auch dauermissmutig, wenn Sie in solcher Umgebung aufwachsen würden?
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